Im Beitrag mit dem Schlagwort “Ribat” vom 17.12.2023 findet Ihr den Grund, aus dem es zwischen Israel und den Palästinensern keinen Frieden geben kann. Ihr müsst den Artikel nicht unbedingt lesen, der Grund kann auch – etwas abstrakt – in einem Satz umrissen werden:
Frieden ist nur möglich, wenn es zwischen Kriegsparteien den Konsens gibt, der jeder Partei ihren rechtmäßigen Platz zugesteht und man sich ausgehend davon für die verbleibenden umstrittenen Bereiche um einen wie auch immer gearteten Kompromiss bemüht.
Anders gesagt: Frieden ist abhängig von einem “Common Ground”, einer gemeinsamen Basis, von der aus die Konfliktbereiche aufgearbeitet werden können. Je besser das Gelingt, desto dauerhafter wird der Frieden.
Im Nahen Osten kann das nicht funktionieren, die Gründe wurden dargelegt. Hier ein ermutigendes Beispiel für ein hervorragendes, dauerhaftes Gelingen in Sachen Friedensschluss:
Die nördliche Grenze unseres Landes war jahrhundertelang umkämpft und die Grenzline zwischen Deutschland und Dänemark verlief entsprechend in dem Bereich zwischen Hamburg-Altona um Süden und Kolding/DK im Norden und wurde je nach Erfolg der entsprechenden Seite immer wieder verlegt.
Der jetzige Grenzverlauf knapp nördlich von Flensburg ist ein Erfolg klassischer Friedensverhandlungen: Beide Parteien hatten den Standpunkt, dass es Bereiche gibt, die nicht in Frage gestellt werden: Deutschland hat (grob gesagt) das dänische Kernland nördlich von Kolding nicht in Frage gestellt und Dänemark hat das deutsche Kernland südlich von Hamburg nicht hinterfragt, beide Parteien haben beides als Gegebenheit angenommen. Für den strittigen Bereich dazwischen wurde (vereinfacht gesagt) vereinbart: Die Dänen südlich der Grenze bekommen als Minderheit bestimmte Rechte (eigenes Schul-und Gesundheitssystem, keine 5%-Klausel im Parlament) und die Deutschen nördlich der Grenze bekommen analog vergleichbare Sonderrechte. All das wurde in den “Bonn-Kopenhagener Erklärungen” 1955 niedergelegt – die Basis eines nun schon viele Jahrzehnte andauernden Friedens.
So geht Frieden in dieser Welt: Ausgehend von einem “Common Ground” einigt man sich über die zu lösenden Konflikte und findet eine Lösung, die für beide Seiten nicht schmerzfrei, aber akzeptabel ist.
Jetzt zu unserem Kulturkampf, in dem wir stehen: Er ist so gefährlich, weil es keinen “Common Ground” gibt, der von allen Seiten akzeptiert würde, gibt. Diese tragische Tatsache wird hier an drei Beispielen verdeutlicht:
1. Grundgesetz als “Common Ground”?
Hier zwei Sätze von Bundeswirtschaftsminister Habeck, die entlarvend zeigen, dass eine gemeinsamen Basis fehlt.
Der Erste vom 21. Juni 2023 im Deutschen Bundestag – er betrifft die Verfassungsgerichtsklage der CDU gegen die Schuldenfinanzierung der “Transformation” unseres Landes durch die Bundesregierung: „Wenn diese Klage erfolgreich ist, das würde Deutschland wirklich wirtschaftspolitisch hart, hart treffen. Wahrscheinlich so hart, dass wir das nicht bestehen werden.“
Dann im Deutschlandfunk: “…die Union klagt dafür, dass die Menschen in Deutschland höhere Preise bezahlen müssen, schönen Dank, Friedrich Merz.”
Was fehlt? Der Gedanke an eine gemeinsame Basis. Der Gedanke, dass es die Aufgabe des Bundesverfassungsgerichts ist, diese gemeinsamen Basis, den “Common Ground” zu definieren und dass diese Definition willkommen ist – denn nur so wird das zulässige Spielfeld abgesteckt und die Regeln darauf definiert. Mit solch einem allgemein akzeptierten “Common Ground” würden gesellschaftliche Friedensbemühungen möglich. Die Aussagen von Robert Habeck in dem Sinn: “Der böse Kläger bringt unseren schönen Plan durcheinander – und das ist nun ein ernstes Problem für alle” zeigen: es gibt – jedenfalls im Kopf von unserem Vizekanzler – keinen allgemein akzeptierten “Common Ground” in diesem Kampf.
2. Gemeinsames Menschenbild als “Common Ground”?
Ein weiteres Beispiel, diesmal aus dem Bereich des Feminismus, neben der großen “Transformation” ein weiteres Schlachtfeld im Kulturkampf: Für Feministen sind – kurz gesagt – Männer und Frauen gleich, es darf keine Unterscheide geben, der Kampf ist erst zu ende, wenn alle Unterschiede eingeebnet sind. Auf der anderen Seite würde ein Konservativer sagen: Es gibt legitime Unterschiede zwischen Frauen und Männern – und die haben Auswirkungen.
Vielleicht würde ein Vertreter der konservativen Richtung das so ausdrücken: Männer tun sich eher schwer in den Bereichen Soziales und Empathie – statt beziehungsortientierter Lösungen stellen sie oftmals lieber Sachfragen in der Vordergrund. Frauen tun sich eher schwer in Situationen, in denen mit Struktur, Regeln und Absprachen nichts mehr erreicht werden kann. Wenn es mal soweit ist, dass nur robuste Lösungen außerhalb bestehender Strukturen, Regeln und Absprachen gefunden werden müssen, stoßen Frauen eher an ihre Grenzen als Männer.
Damit ist für jemand mit eher konservativem Geschlechterverständnis klar: Im Bereich des “letzten Schreibtischs” – von dem nichts mehr weitergereicht werden kann, weil er ganz oben steht – werden mehr Männer sitzen als Frauen. Einfach weil es weniger Frauen gibt, die damit zurechtkommen. Und das nicht, weil Männer Frauen unterdrücken – sondern weil Frauen einfach anders begabt sind als Männer.
Wo ist hier “Common Ground”? Es geht ums grundlegende Menschenbild, und hier gibt es keine gemeinsame Basis, denn für die einen sind Geschlechter nur soziales (Unterdrückungs-) Konstrukt und für die anderen sind Geschlechter in ihrer Verschiedenheit auf Ergänzung angelegt. Da ist kein Raum für Kompromisse. Denn jeder Kompromiss könnte ja nur so aussehen, dass jede Seite dazu steht, dass es Räume gibt für Männer und solche für Frauen und dass im Niemandsland dazwischen, auf dem der Kampf stattfindet, nun Kompromisse ausgehandelt werden müssen, damit Frieden möglich wird.
Das macht den Kulturkampf, in dem wir uns befinden, so gefährlich: Ohne gemeinsame, von allen akzeptierte Basis fehlt der Ausgangspunkt für Frieden.
3. Nachwuchs als “Common Ground”?
Oft wird die Tragweite eines Dilemmas deutlich, wenn man Bilder in Ruhe auf sich wirken lässt: Was ist der Unterscheid zwischen den Anti-Atomwaffen Demos in Deutschland (Mutlangen) oder Großbritannien (Greenham), und den Klebedemonstranten der “Letzten Generation” heute? Hier ein typisches Bild von Damals:
Was ist der Unterschied von diesem Bild zu den Bildern von Klimaklebern heute und der “Letzten Generation”? Ganz einfach: Es sind heute niemals Kinder dabei. Nie. Nirgends. Es gibt einfach keine aufgeklebten Kleinen.
Wir können davon ausgehen, dass dies weniger mit Kindeswohl-Befindlichkeiten zu tun hat – es hat andere Gründe, und die liegen ganz dicht bei unserem Thema:
Bei den Demos z.B. in Mutlangen und noch viel mehr in Greenham waren immer Kinder. Tatsächlich kann man hier eindrücklich sehen, welche Rolle Kinder tatsächlich dabei spielten (einfach den Link anklicken)
https://www.flickr.com/photos/greenham/albums/72157600005005806/
Diese Kinder standen für die gemeinsame Basis beider Seiten des Konflikts: Die Gegner von Atomwaffen demonstrierten nicht nur für sich – sondern für ihre Kinder. Auf der anderen Seite dachten die Befürworter der atomaren Aufrüstung genau so: Sie empfanden sich im Kampf für eine freie Welt – für sich UND für ihre Kinder. Die Zukunft “eigener Kinder” war eine gemeinsame Basis. Nach dem Motto: “Wir wollen auch in Zukunft leben – als Väter und Mütter möchten wir, dass die nächste Generation, die von uns ausgeht, auch existieren kann.”
Heute fehlt dieser “Common Ground”. Bereits der Name sagt viel: “Letzte Generation” – und tatsächlich sind Kinder bei den Demonstranten – (hier gemeint: selbst in den Welt gesetzte Kinder) bei weitem keine Selbstverständlichkeit mehr. Fortpflanzung ist für heutige Klima-Demonstranten mindestens ein Diskussionspunkt – für viele ist es aus ökologischer Sicht mehr als bedenklich, eigene Kinder in Erwägung zu ziehen.
Damit wird dieser Krieg zum Kampf, der nur noch aus Fronten besteht, ohne dass beide Seiten sich gegenseitig ein Terrain zugestehen würden, das der jeweiligen Gegenseite rechtmäßig zugehört.
Das waren drei Beispiele für fehlenden “Common Ground” im heutigen Kulturkampf – Fehlanzeige in Sachen “gemeinsame Basis” sind: Grundgesetz, Menschenbild und Fortpflanzung.
Ich wünsche mir so sehr, dass mich jemand widerlegt: Hast Du ein Beispiel für nachhaltigen Frieden ohne die Voraussetzung eines konkreten Zugeständnisses der jeweils einen Seite an die andere? Ich würde mich ehrlich sehr dafür interessieren.
Wenn es keinen alternativen Weg gibt, würde das ununterbrochenen Kampf bedeuten. Bis zur völligen Erschöpfung aller Seiten. Hatten wir das nicht schon ein paar mal? Einmal für 30 Jahre, dann nochmal vor kurzem als “totaler Krieg”? Wer jetzt sagt: Das ist doch völlig übertrieben – dem sage ich: bitte lies diesen Blogbeitrag nochmal in der heißen Phase des amerikanischen Wahlkampfs – also nach den Sommerferien ’24. Und dann überlege: Ist das hier wirklich Übertreibung? Die Amis sind uns mal wieder ein paar Jahre voraus…
Ok, das war jetzt alles nicht besonders ermutigend. Wo könnte ein Hoffnungsschimmer herkommen? Einer der ersten Leser dieses Beitrags schrieb mir heute (04.01.24) Folgendes: “Ich habe die Hoffnung, dass durch Gespräche und Diskussionen auch immer wieder einer neuer “Common Ground” entdeckt werden oder sogar neu entstehen kann.”
Das ist es: Bei aller Wachsamkeit darauf, wo gerade die Kampflinien verlaufen und wie Du Dich persönlich darin positionieren kannst und vielleicht auch musst: Bleibe offen für Entdeckungen – oder auch Überraschungen – von Gemeinsamkeiten, die vielleicht als Basis für einen Brückenschlag dienen könnten. Und wer weiß: Vielleicht ergeben sich ja sogar Gelegenheiten, solche Gemeinsamkeiten ins Leben zu rufen – unter Umständen sogar da, wo vorher nur Abgründe oder Kippen waren? Ich kann mir vorstellen, dass der Prophet Jesaja Gott als denjenigen sah, der sich aufmacht, um uns in unserer heillosen Zerstrittenheit zu helfen, “Common Ground” für unsere Füße zu schaffen, schau gerne mal nach: Die Bibel, Jesaja 40,1-5.
In diesem Sinne ein frohes Neues Jahr!
Euer Bernd