…und kein Neid!

Stellt euch eine kleine Stadt vor, in der kein Müll rumliegt, in der es so wenig Kriminalität gibt, dass niemand des Nachts die Türen abschließt und in der die Leute alle fröhlich zur Arbeit gehen. Die einzige Sorge der Angestellten ist, möglichst vielen ihrer Verwandten auch einen Job in diesem Dorf zu besorgen. Die Unterkünfte hier sind luxuriös und haben für ihre Gäste alles, nur keinen Tresor, weil sowieso niemand was klaut. Nachts können Frauen alleine spazieren gehen, die Straßenlaternen sind mit Bewegungsmeldern ausgestattet. Die Angestellten essen das Gleiche wie ihre Chefs, auch dann, wenn diese superreich sind. Hier seht ihr sie beim Backen von Tortillas (Mais-Pfannkuchen: es kommen zwei auf den Teller und werden dann mit Salat, Fleischstückchen, Avocado, schwarzen Bohnen und anderen Leckereien belegt, zum Schluss kommt ziemlich scharfe Soße drüber, ein hammer Essen :-).

Das Dorf hat seine eigenen Gesetze – diese Regeln sind aber recht überschaubar, deshalb passen sie auch auf eine handliche Tafel, und weil immer noch Platz ist, schreibt man auch gleich die dazugehörige Strafe mit drauf:

Hört sich das für deutsche Ohren ziemlich verrückt an? Diese Städte und Dörfer gibt es wirklich! Mitten in einem Entwicklungsland. Mitten einem Ozean aus Krimminalität, Korruption und Chaos. Sie haben längere Namen, das erste Wort ist meist “Condominium” ist. Sie sind so groß, dass die Fahrzeuge darin eigene Nummernschilder haben:

Gestern habe ich mit solch einem Fahrzeug das Condominium verlassen und kam an einer staatlichen Polizeikontrolle vorbei, die Polizisten haben nur freundlich gewunken. Innerhalb dieses “Condominiums” hab ich noch nie einen offiziellen Polizisten gesehen. Das Tor wird von privaten Wachleuten bewacht, die allerdings tüchtig bewaffnet sind. Der Zugang ist stark reglementiert – jeder braucht einen belastbaren Grund dafür, durch das Tor in dieses paradiesische Dorf zu kommen: Gründe sind Arbeit oder Service, Eigentum oder Miete und natürlich Einladungen von Bewohnern.

Mit anderen Worten: Es gibt Dörfer und kleine Städte in Guatemala, die angenehmer und sicherer sind als Eckernförde oder Bad Tölz. Ehrlich. Ich sehe es und darf es genießen. Und die Bauplätze hier sind sogar günstiger als in den beiden genannten Städten. Unglaublich!

Warum ist das so möglich? Warum haben verarmte Massen landloser Menschen diese Paradiese nicht schon längst gestürmt? Sie könnten das problemlos, den seit den 80ern sind die Strände hier öffentlich. Jeder kann über kleine Umwege rein – und unser Condominium hat einen riesigen Strand! Also: Warum passiert das nicht?

Wenn man – wie ich – nur drei Wochen da ist, kann das nur eine Momentaufnahme sein – aber es kommt einem schon so vor, dass NEID hier ziemlich kleingeschrieben wird. Die Leute sind einfach dankbar, dass sich Arbeitgeber hier ansiedeln und sich daraus die Chance auf geregelten Broterwerb ergibt. Und arbeitsmäßig macht sich in diesem Dorf keiner kaputt, den hier geht es nicht zuerst um Geschwindigkeit und messbare Leistung, sondern um Verlässlichkeit und Vertrauen. Tatsächlich werden es immer mehr, die sich für ein Anwesen im Condominium entscheiden, da Oberschicht und Mittelschicht in Guatemala offensichtlich am Wachsen sind. Jedenfalls suggeriert das die Bautätigkeit allerorten, hier eines von vielen Beispielen aus der Nachbarschaft:

Hier wird gut sichtbar, dass das dominierende Verkehrsmittel des Individualverkehrs – auch von Handwerkern – das Motorrad ist. Leider vielfach ohne Führerschein und Licht – Nachts muss man echt aufpassen. Oft sind Motorräder mit 4 Personen besetzt: Der Vater fährt, hat vor sich ein Kind, hinten die Frau, und zwischen ihnen noch ein Kind. Übrigens: Die abgedeckten Zweiräder stehen da nicht dauerhaft, sie werden nur wegen der immensen Sonneneinstrahlung tagsüber abgedeckt, sonst würde der Tank überlaufen und der Sattel wäre wegen der Hitze nicht benutzbar.

Spannende Sache, so ein Land ohne die ständige Neid-Debatte, sondern voller praktischer Ansätze, um möglichst Vielen ein Win-Win-Ergebnis zu ermöglichen.

Soviel für heute, liebe Grüße

Euer Bernd

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