Warum es Mist ist, dass England geht…

Wer sich ernsthaft mit dem Wort Gottes, der Bibel, beschäftigt, geht mit uralten Dokumenten um – und wird bei diesem Umgang auch dauernd mit den jahrhundertelangen Wirkungsgeschichten dieser Überlieferungen konfrontiert. Das hat Auswirkungen aufs Denken – mit diesem “Gepäck” im Nacken betrachtet man gegenwärtige Entwicklungen anders und auch die Schlüsse, die man zieht, werden davon gefärbt.

Als Pastor bin ich Betroffener. Gerne möchte ich diese Denke, die mir durch meine Tätigkeit sozusagen aufgedrängt wird, einmal testweise auf den Brexit anwenden. Falls also jemand Interesse daran hat, aus der Warte der “langen historischen Linien”auf den Brexit und seine daraus resultierende mögliche Bedeutung für uns zu schauen – hier ist eine Gelegenheit.

Zuerst: Die Geschichte Britanniens mit Europa ist eine Geschichte der Konflikte – im wesentlichen mit Frankreich, Deutschland und Spanien. Europäische Diktatoren von Napoleon bis Hitler haben zwar versucht, es aber niemals geschafft, einen Fuß auf britischen Boden zu setzen. Bei den Geisteshaltungen wird der unterschiedliche Ansatz noch deutlicher: Die britische und schottische Aufklärung (verbunden mit Namen wie Edmund Burke, David Hume, John Locke und Adam Smith) unterstrich Individualismus, Freiheit und Freizügigkeit im Sinne von eigenverantwortlicher Selbstbestimmung. Der Rest Europas wurde eher beeinflusst von den französischen Aufklärern im Sinne Jean-Jacques Rousseau. Der stand im Gegensatz zur britisch-schottischen Denkweise eher für eine von der Obrigkeit erzwungene Gleichheit der Bürger. Es ist kein Zufall, dass die amerikanische Revolution aufgebaut ist auf dem Gedanken individueller Freiheit und Freizügigkeit – und eben nicht auf den (später aufgetretenen) gewaltschwangeren Umverteilungsphantasieen und Volksfeindverfolgungen der französischen Revolution.

Was sind die Auswirkungen? Frankreich brachte Napoleon hervor, Italien Mussolini, Spanien Franco, Deutschland Hitler. Es ist schwierig, in der britischen Geschichte nach der Aufklärung eine vergleichbare Figur auszumachen, obwohl die Briten natürlich auch keine Heiligen waren. Aber selbst der brutale britische Imperialismus (Kolonialismus) war anders als der Belgische, Französische, Deutsche, Portugiesische und Spanische (die nicht weniger brutal waren): Man schaue sich nur einige der aus den ehemaligen britischen Kolonien entstandenen Demokratien an: USA, Australien, Kanada, Indien und Neuseeland. Obwohl es auch andere britische Ex-Kolonien gibt, bei denen die Rechtsstaatlichkeit nicht so gut funktioniert, ist das Verhältnis zwischen gescheiterten und gelungenen Staaten, die einmal Kolonien waren, bei den Briten ein substantiell anderes als bei Franzosen, Belgiern und anderen Festlandseuropäern.

Welche Auswirkungen wird also der Austritt Großbritanniens es für Europa haben? Entlang dieser Linien (s.o.) gedacht, wird der Staatsdirigismus und die Regulierungswut bei uns zunehmen. Die Arbeitsmarktgestaltung in Sinne des Sozialismus wird in einer anderen Dimension als bisher weitergeführt werden. Wir werden dadurch noch unflexibler, wenn es zu Krisen kommt. Eigenverantwortlichkeit des Bürgers, individuelle Freiheit und Freizügigkeit werden abnehmen und wir werden in vielfacher Hinsicht langsam aber sicher “französischer” werden. Der Einfluss dieser Denkrichtung wird auch deshalb zunehmen, weil wir Deutschen geistig eher orientierungslos dastehen. In diesem Zusammenhang werden neue Ideologien (Gender, Anti-Hate, Klima…) noch schneller zu Gesetzen – mit unabsehbaren Folgen. Dazu kommt: Europa ohne England ist chronisch unterbewaffnet und fremdelt darüberhinaus mit USA. Deshalb werden wir von der nunmehr einzigen verbleibenden Atommacht in der EU, das ist Frankreich, in viel zu starker Hinsicht abhängig, was die o.g. Effekte zusätzlich verstärken wird.

Aus diesen Gründen finde ich es wirklich MIST, dass uns die Briten verlassen – kann sie aber – uns den gleichen Gründen – verstehen.

Schöne Woche allen Lesern!

Euer Bernd

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