Das Geheimnis der AFD, gelüftet?

Überraschende Einsichten – für Menschen, die gerne nachdenken 🙂

Laut Infratest DIMAP haben am Sonntag, 8. Oktober 9000 Wähler der Grünen (!) und 29 000 Wähler der SPD in Hessen die AFD gewählt. Von der kleinen FDP wanderten sogar 24 000 zur AFD. Man reibt sich die Augen und fragt sich: Wie kann das sein?

Sind diese Menschen jetzt plötzlich alle ultra-rechts geworden?

Das ist unwahrscheinlich. Hier kommt eine Erklärung, die ich zwei spannenden, aber sehr unterschiedlichen Persönlichkeiten verdanke: Peter Brandt, Historiker und ältester Sohn von Willy Brandt und Norman Podhoretz, amerikanischer Intellektueller, ein Ex-Linker, der sich heute zum Neokonservatismus zählt.

So, nun geht es los mit der Analyse:

Gehen wir davon aus, dass die meisten Wähler einfach Menschen sind, die an die Regierenden vor allem anderen einen einzigen großen Wunsch haben: In Ruhe zu Zufriedenheit leben zu können. Ihr Hauptanliegen ist, ohne größere äußere Störungen die Herausforderungen ihres eigenen Lebens anzugehen, um es irgendwie zum Gelingen zu bringen. Sie wollen vor allem anderen einfach nur Freiräume, um ihr eigenes kleines Glück zu gestalten.

Würdest Du diesem Punkt im Großen und Ganzen zustimmen?

Wenn ja, können wir einen Schritt weitergehen:

Auf dieser Basis, also auf der Grundlage der Herzenssache “einfach nur leben wollen” liegen nun mehr oder weniger locker obendrauf die Neben-Anliegen und Neigungen, nach denen der Wähler einer Partei dann seine Stimme gibt. So wählt (etwas überspitzt ausgedrückt), derjenige, der eher wohlsituiert die Einstellung hat ‘leben und leben lassen’ vielleicht FDP. Der mit dem ökologischen Gewissen entscheidet sich für die Grünen und wer ein Herz für den ‘kleinen Mann’ hat – oder selbst einer ist, wählt eher SPD.

Seit 2 Jahren wurde dieses schöne Bild von drei Effekten zerstört – nein, schlimmer: regelrecht zertrümmert. Aus drei Gründen fühlt der Normalwähler, dass sein oben geschildertes Hauptanliegen ‘einfach nur leben wollen’ extrem gefährdet ist.

  1. Durch äußere Einflüsse wie Pandemie und Kriege.
  2. Durch politisch bedingte, gewollte oder verstärkte Effekte wie extreme Energiekosten und steigende Lebenshaltungkosten im Zuge der “grünen Tansformation der Wirtschaft”.
  3. Durch die Unfähigkeit der Eliten, Missbrauch einzudämmen wie z.B. den Missbrauch das Asylrechts und unserer Sozialkassen durch illegale Einreise von Wirtschaftsflüchtlingen.

Die Kombination dieser drei Effekte, die sich gegenseitig verstärken, sorgen für immense Verunsicherung – und zwar im Kern. Der Wähler fühlt, dass das Hauptanliegen seines Lebens in Gefahr gerät. Manche empfinden, dass ihre wichtigsten Wünsche nicht nur gefährdet sind, sondern bereits geschreddert wurden, wenn z.B. der Traum vom Eigenheim durch staatlich gewollte oder verursachte Preistreibungseffekte aufgegeben werden musste. Andere fühlen sich einfach ungerecht behandelt, wenn sie z.B. mitbekommen, dass in diesen schwierigen Zeiten ausreisepflichtige Menschen, die hier lediglich geduldet sind, bei Arzt und Krankenhaus von Zuzahlung befreit sind, während sie selbst 2x blechen müssen – einmal die eigene Zuzahlung und on Top durch ihre Steuern die Zuzahlung Anderer.

An diesem Punkt schert sich dieser Wähler nicht mehr um die oberflächlichen Gründe, aus denen bisher SPD, Grüne oder FDP gewählt wurde, oder aus denen er gar nicht wählen ging. Denn jetzt geht es um den Kern dessen, das er als Sinn seiner Existenz versteht.

Und genau an diesem Punkt erreichen ihn die Versprechen der AFD. Sie steht für geringere Energiekosten, sie zurück will zur Kernkraft, sie verzichtet auf den Anspruch, alles Verändern zu wollen und vor allem möchte sie niemandem die Bürde zumuten, als Deutscher weltweit moralisch korrekter Vorreiter für Klimaschutz und Willkommenskultur sein zu müssen.

Diese Versprechen – unabhängig davon, wie gut sie mit Fakten oder Glaubwürdigkeit unterfüttert sind – treffen Wähler genau ins verunsicherte Herz. Und das ist die Ursache für die Wählerwanderung aus allen möglichen Parteien zu den Blauen. Nicht ein Rechtsruck. Nicht eine Tendenz zum Radikalen. Nicht ihr Hang zu Schreihälsen. Es ist nicht mal leichtfertiges Protestwahlgehabe, wie oftmals behauptet wird. Am Ende ist es schlicht und einfach die Sehnsucht nach Leben.

Ich finde, diese Erklärung logisch und nachvollziehbar. Und es ist verwunderlich, dass es den etablierten Parteien nicht dämmert, denn es wäre gar nicht so schwer, sinnvoll auf dieses Gefühl zu reagieren. Zugegeben: Bei (1) kann man wenig gestalten, die Umstände sind, wie sie sind. Doch bei (2) könnte man ideologiefreier und pragmatischer vorgehen und die Leute einfach in Ruhe lassen bzw. ihnen Verschnaufpausen gönnen und bei (3) entschieden für Recht und Ordnung sorgen. Aber statt dessen tendiert unsere Regierung dazu, an den Punkten, an denen sie gestalten kann, so vergleichsweise lächerliche Nebenschauplätze zu eröffnen wie z.B. die Legalisierung von Cannabis.

Immerhin: Durch den Schock der Wahlen in Bayern und Hessen begnügen sich unsere Regierenden nicht länger mit der üblichen lahmen Ausflucht, ihre tolle Politik in Zukunft einfach besser kommunizieren zu wollen, damit der Bürger endlich versteht, wie genial alles ist :-). Tatsächlich bewegen sie sich auf den Bereichen 2-3 seit letzter Woche in die richtige Richtung. Die Frage ist nur, ob das nicht zu spät kommt und/oder zu langsam vor sich geht, um einen merklichen Effekt zu erzielen, der auch bei Wähler ankommt. Oder ob diese Bemühungen vom Wahlvolk ähnlich glaubhaft eingestuft werden wie die plötzlichen ordnungspolitischen Abschiebungs- und Grenzsicherungs-Versprechen von Nancy Faeser zwei Tage vor der Bayern- und Hessenwahl. Dann wird die AFD weiter gewinnen.

Aber vielleicht liest das hier ja jemand, der mit an den Hebeln der Macht sitzt…

Einen schönen Herbsttag wünscht

Euer Bernd

Eine Antwort auf „Das Geheimnis der AFD, gelüftet?“

  1. klasse Gedanken, lieber Bernd.
    Bin jetzt erst über denen Block “gestolpert” und bin sehr gespannt, was ich hier noch so finde. 😉
    Viele Grüße und bis nächsten Sonntag.
    Marc

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