Starker Glaube für schwere Zeiten Teil 3

Die Covid-18 Krise liegt wie eine schwere Last auf unserem Land. Vielen hat sie ihren bisherigen geregelten Tagesablauf regelrecht zerschossen. Die heutige Andacht ist für alle – aber ganz besonders für die, die merken, dass Netflix oder Amazon Prime und andere Videoportale die letzten Tage oder Wochen einen immer grösseren Raum in ihrem Leben bekommen haben. Es geht um die Frage: Wie kann aus dieser Krise für Dich persönlich etwas Gutes kommen? Wie kannst Du sie für Dich ummünzen, dass sie Dir auf Deinem Weg dient? Das geht! Und es geht so:

Ich wünsche Dir eine inspirierte Zeit beim hören – und spannende Erfahrungen beim Anwenden!

Starker Glaube für schwere Zeiten

Hier ist der zweite Teil der Andachtsreihe in Zeiten ohne Gottesdienst. Diesmal: Umgang mit der Angst.

Ich hoffe und bete, dass Du das für Dich anwenden kannst…und dass es für dich mindestens einen Schritt in Richtung SIEG bedeutet – wenn das geschieht, war es alle Mühe wert!

Ist der Coronavirus eine Strafe Gottes?

Es gibt im Netz etliche Prediger und Bibellehrer, die Stellen aus dem Alten Testament heranziehen, um darzulegen, dass es sich bei der Seuche, die uns getroffen hat (Corona, Wuhan-Virus, COVID-19), um eine Strafe Gottes für die Sünde der Welt handelt. Beliebt sind Stellen wie Amos Kapitel 3 Vers 6: „Geschieht ein Unglück in einer Stadt, ohne dass der Herr es bewirkt hat?“

Meine Frau kam heute mit einem entsprechenden Video auf ihrem Smartphone daher und fragte mich um meine Meinung dazu.

Weil hier viel Unsicherheit herrscht habe mich mich entschlossen, ein wenig Klarheit und Licht in das Dunkel solcher Annahmen zu bringen: Ein guter Startpunkt ist, bei der frage zu beginnen, ob jede Bibelstelle gleichwertig zu betrachten ist, oder ob es „höherwertige“ Wahrheiten gibt, denen sich andere Stellen unterordnen müssen? Für mich liegt die Antwort in Hebräer Kapitel 1: „Nachdem Gott vor Zeiten vielfach und auf vielerlei Weise zu den Vätern geredet hatte durch die Propheten, hat er am Ende dieser Tage zu uns geredet durch den Sohn…ER ist der Abglanz seiner Herrlichkeit und Abbild seines Wesens.“

Diese Worte sind ein hervorragender Schlüssel zum Bibelverständnis: Gott hat auf unglaublich vielfache Weise geredet. Manches war recht schwer verständlich. Viele seiner Reden (fast das ganze Alte Testament) richteten sich an sein auserwähltes Volk Israel oder an Völker, die sehr eng damit verknüpft waren – jedoch nicht unmittelbar an die ganze Welt. So schickte Gott z.B. Unheil über die Ägypter, weil sie die Israeliten versklavt hatten – nach vorheriger Ankündigung durch einen ehemaligen ägyptischen Prinzen (also maximal klar verständlich), der sich objektiv als voll autorisierter Botschafter des Höchsten ausweisen konnte. Erst als darauf keine Reaktion erfolgte, kam die abgestufte Strafe, die ein glasklares, jedem bekanntes Ziel hatte: Der Auszug des Volkes Gottes. Solches Wirken Gottes heute auf uns zu beziehen ist theologisch ganz schön sportlich und erfordert einiges an Interpretationsverrenkungen. Es ist eben „vielfältiges Reden Gottes“, wie der Schreiber des Hebräerbriefs das nennt.

Doch so schwierig macht Gott es uns nicht, ihn richtig zu verstehen. Er sandte seinen Sohn, um uns zu zeigen, wie er wirklich ist! Das Gewicht dieser „Offenbarung des Wesens Gottes in menschlicher Gestalt“ soll von uns so entscheidend gesehen werden, dass es vier (!) ausführliche Berichte in der Bibel darüber gibt (vier Evangelien). Für mich reicht diese Tatsache zusammen mit den o.g. ersten drei Versen des Hebräerbriefs aus, das Wort Gottes tatsächlich so zu verstehen: Es gibt unterschiedliche Wahrheitsebenen. Nämlich ganz oben Jesus als die höchste Gottesoffenbarung – unübertroffen und maximal ausführlich. Darunter dann viel Wertvolles – das aber zum rechten Verständnis im Licht der Gottesoffenbarung durch Jesus Christus gesehen werden muss.

Das war die Theologie – jetzt die Anwendung: Ganz ehrlich, würde Ihnen beim Lesen der Evangelien die Idee kommen, dass Gott es ist, der Unglück, Seuchen und Krankheiten auf die Erde schickt? Das dies Teil seines Wesens ist, das er in Jesus offenbart? Diese Wahrheit wäre so wichtig, sie müsste in jedem der vier Evangelien leicht nachvollziehbar vorkommen. Ich kann das so aber nicht finden.

Deshalb sind Unheil und Seuchen, Krankheiten und Katastrophen so zu sehen: Wir leben auf einer Erde, die regelrecht schwanger ist vor Unheil. Krankheiten, Seuchen und Katastrophen gehören zu unserem Leben auf diesem Planeten. Es ist dermaßen gefährlich, hier zu leben, dass sogar Gott selbst mitten unter uns brutal zu Tode kam! Aber unser Unglück ist Gott nicht egal – es lässt ihn nicht kalt. Er ist zutiefst barmherzig, weint mit uns und entwickelt Pläne und Strategieen zur Abwendung von Not und Unheil. Sein Wort gibt uns eine Fülle von Ratschlägen zum Umgang gerade mit Seuchen und Infektionen: z.B. was man gut essen kann und von welcher Fleischsorte man besser die Finger lässt (Schleichkatzen und Fledermäuse gehen lt. Gott gar nicht, liebe Chinesen). Wenn die Seuche dann doch um sich greift, gibt es Quarantäne- und Desinfektionsregeln über ganze Kapitel der Bibel (das Buch Levitikus beschäftigt sich fast durchgängig damit, lesen Sie mal spaßhalber Levitikus Kap.13, Sie finden darin sogar die 14-tägige Quarantäne, die heute noch Standard ist). Über all das hinaus hat er ein offenes Ohr für unser Schreien in der Not. Er hört Gebet, einer seiner Ehrennamen ist „Hörer des Gebets“ (Psalm 65,3). Hier ein Clip der schönsten Vertonung dieses Psalms:

Nein, Corona ist keine Strafe Gottes! Seuchen dieser Art gehören zwar zu der Welt, in der wir leben – doch das war niemals von Gott so beabsichtigt. Denn sein Wille geschieht unter Milliarden von freien Persönlichkeiten auf unserem Planeten eben nicht automatisch oder „sowieso“, sondern dadurch, dass wir ihm vertrauen. Deshalb lehrt uns Jesus so beten: Vater unser im Himmel…dein Wille geschehe, wie im Himmel, so [endlich auch und hoffentlich bald] auf Erden!

Zum Schluss nochmal zurück zu Amos. Direkt im Anschluss an den Vers 6 sagt der Prophet: „Gott, der Herr, tut nichts, ohne seinen Dienern, den Propheten, seinen Plan offenbart zu haben!“. Genauso war es beim Pharao – der Plan Gottes für die konkrete Situation lag auf dem Tisch – schon vor der ersten Plage! Niemand erlebte den Nil aus Blut und musste wild rätseln: Was ist das nun? Ein außergewöhnliches Naturphänomen? Eine Strafe Gottes? Es war von vornherein klar, dass Gottes Gericht über Ägypten lag, weil der stolze Pharao den “Augapfel Gottes” (Israel) mit Füßen getreten hatte.

Daraus ergibt sich: Wer nun der oben ausgeführten Theologie (Jesus als ultimative Gottesoffenbarung, der sich alles andere Reden Gottes unterordnet) nicht folgen mag, und auf der Basis des Amos-Wortes den Coronavirus immernoch als Strafe Gottes ansieht, steht vor einer Herausforderung. Es müssten nämlich eindeutige prophetische Worte benannt werden, die VOR dem Ausbruch der Seuche verbreitet wurden – so deutlich, wie wir das aus dem Alten Testament kennen. Verbunden mit einer klaren Autorisation von Gott, also mit einhergehenden Zeichen, die aufhorchen lassen und mit einem glaubensvollen Ausblick, falls die geforderte Umkehr erfolgt.

Unter diesen Voraussetzungen wäre ich bereit, meine Position nachmal zu überdenken – bis dahin bleibt es dabei: Jesus ist die endgültige Gottesoffenbarung – und er ist das Heil der Welt – nicht ihr Unglück!

Liebe Grüsse

Bernd Kollmann, Pastor.

Das stärkste Motiv auf Erden

Die Predigt vom letzten Sonntag würde ich gerne noch ganz oft halten – weil sie mich selbst so inspiriert und gepackt hat. Vielleicht wird sie sich auch noch weiterentwicklen – mal sehen, ob das gelingt. Bis dahin habt Ihr die Chance, sie in der Erst-Version vom vergangenen Sonntag hier im Netz zu hören. Am Anfang und Ende stehen jeweils zwei Clips aus dem Netz. Die werden hier natürlich mitgeliefert. Am besten so genießen: Die Predigt hören, und dann an den entsprechenden Stellen unterbrechen um die Clips anzuschauen…

Unterstehend die beiden Links, die dazugehören:

https://www.youtube.com/watch?v=KJ4MjolpQAg

https://www.youtube.com/watch?v=maUhiVtwF_Q

Eine tolle, gesegnete Herbstwoche wünscht

Euer Bernd

Auf Kollisionskurs mit der Realität

Die Hybris des Menschen, also seine maßlose Überheblichkeit, zeigt sich immer wieder – letzte Woche ja wieder eindrucksvoll statistisch dokumentiert an den aktuellen Fakten zur Privatinsolvenz. Der Mensch glaubt, gegen die Wirklichkeit ankonsumieren zu können und erlebt den Schiffbruch der eigenen Ökonomie. Hier eine sehr eindrückliche Schilderung des Phänomens der Landeszeitung:

https://www.shz.de/deutschland-welt/wirtschaft/privatinsolvenzen-in-sh-im-land-der-pleitiers-id12911296.html

Nun kann man sagen, das betrifft mich glücklicherweise nicht – ich habe ja meine Finanzen im Griff. Es gibt jedoch einen Punkt, an dem wir offensichtlich einer “gesamtgesellschaftlichen Hybris” verfallen sind. Einen Punkt, an dem wir gegen die Realität anrennen, als könnten wir sie besiegen, indem wir sie einfach als “nicht relevant” betrachten.

Das Thema unserer Realitätsverweigerung ist die Energie. Und die Wand, gegen die wir fahren, weil sie direkt vor uns steht, sieht so aus: Unsere Zukunft hängt an digitalem Datenverkehr in Echtzeit. Überall stehen riesige Datenzentren, die zwar äußerlich nicht auffallen, aber übers ganze Land verteilt immens viel Strom verbrauchen und total darauf angewiesen sind, dass dieser Strom kontinuierlich fließt. Tag und Nacht, 24/7. Ein beliebiges Datenzentrum verbraucht pro Quadratmeter das 10-fache an Strom wie in voll ausgestatteter Wolkenkratzer, beheizt und klimatisiert. Da unser Wohlstand zunehmend abhängig ist von Datentransfer in Echtzeit, sind wir auch zunehmend abhängig von gleichmäßig verfügbarem Strom in zunehmender Menge.

Das ist die Realtätswand, die sich vor uns erhebt. Und wir haben uns dafür entschieden, mit regenerativen Energieen Vollgas zu geben. Leider genau in Fahrtrichtung auf diese Wand zu – denn: regenerative Energieen stehen genau für das Gegenteil dessen, was wir zunehmend benötigen. Sie liefern weder regelmässig – noch können sie beliebig mehr Strom erzeugen.

Bevor jetzt jemand die Augen nach oben dreht, und mich für einen Öko-Verweigerer hält: Wir haben als Familie massiv in Erneuerbare investiert! Dazu gehört eine 14-qm thermische Solaranlage und zusätzlich eine 7-kWp Photovoltaik-Anlage auf unserem Dach. Wir genießen die Wärme der Sonne zum Duschen und für die Waschmaschine – jeden Tag. Darüberhinaus beheizen wir unser Haus zu 100% aus nachwachsenden Rohstoffen. Vor diesem Hintergrund ist es nichtmal übertrieben zu sagen, dass wir mit diesem Ansatz als echte Vorreiter des Klimawandels gelten können!

Aber gerade als Mensch, der fest verwurzelt ist in täglicher Öko-Praxis, stelle ich nüchtern fest: Die Energiewende in Deutschland hat starke realitätsverweigernde Züge!

Etwas neidvoll blicke ich auf Finnland, das gerade die EU-Ratspräsidentschaft inne hat und dessen Premier unverholen zugibt, dass Finnland zur Co2-Einsparung voll auf Kernkraft setzt. Energie ohne Schwankungen in beliebiger Menge bei ausreichender Beherrschbarkeit der Risiken – das sage nicht ich, das sagt unser derzeitiger EU-Ratsvorsitzende Anti Rinne.

Genauso wird das übrigens im Heimatland von Greta praktiziert – Schweden setzt zur Co2-freundlichen Energiegewinnung ebenfalls auf Kernkraft – und ich hab bislang noch nicht gehört, dass das Thunberg-Mädchen jemals etwas dagegen einzuwenden hatte – oder diesbezüglich zu entsprechenden Demos aufgerufen hätte.

Diese Ansätze unserer nördlichen Nachbarn sind realistisch – die beiden genannten Länder befinden sich nicht auf Kollisionskurs mit der Wirklichkeit. Bei uns zeigt sich das Problem zur Zeit in den höchsten Strompreisen der Welt. Wir können das noch wegstecken, weil wir so reich sind.

Ich würde mir eine Politik bei uns wünschen, die aufhört, sich der Wirklichkeit zu verweigern, und die einen Ansatz wählt wie: Ja, wir wollen mehr Öko – ja, wir wollen eine digitale Wirtschaft und ja, dazu brauchen wir eine kostengünstige, immer verfügbare Grundversorgung, die uns jede Dunkelflaute zuverlässig und mit im Inland produziertem Strom überbrückt. Wer das Co2-neutral verwirklichen will, kommt halt an der Kernkraft leider nicht vorbei. Und vor diesem Hintergrund bin ich für deutsche Sicherheitsstandarts – und möchte nicht von belgischen oder französischen Schrottmeilern an unseren Grenzen abhängig sein, wenn es drauf ankommt! Denn das ist am Ende die Konsequenz: Vor dem Zusammenbruch der Versorgung kommt der Aufkauf von Strom aus dem Ausland.

Als Pastor habe ich unglücklicherweise viel Erfahrung mit Menschen, die sich mit der Realität schwertun: In Ehen, um Umgang mit Herausforderungen des Alltags, im “vorüberziehenlassen ungenutzter Chancen”. Mein Job ist es, in Gottes Namen immer wieder die Wirklichkeit vor Augen zu führen – die des Lebens und die des Evangeliums. Ich habe noch keinen erlebt, der das mitgemacht hat, und dem es damit nicht besser ergangen wäre.

Wie cool wäre es, wenn wir uns auch als Gesellschaft in der einen oder anderen Hinsicht der Wirklichkeit stellen würden!

Schönen Tag noch.

Dein Bernd.

Erntedank-Eskalation

Für dieses Jahr die schönste Erntedank-Proklamation, die ich kenne! Falls jemand das liest und beteiligt war: Vielen Dank! Es war eine Freude, vor diesem Hintergrund das Wort Gottes zu teilen! Wer es nachhören möchte – bitte sehr:

Der Bibeltext , der dieser Predigt zugrunde liegt, ist eine Zusammenfassung aus drei Versen aus dem Johannes-Evangelium Kap.12,24-26:

Jesus Christus spricht: Wenn das Weizenkorn in die Erde fällt und stirbt, bringt es viel Frucht. So gebe auch ich mein Leben für dich hin. Wer mir darin nachfolgt, und sich hingibt, der wird Leben finden in Ewigkeit, und mein Vater wird ihn ehren.

Hier die Predigt zum ganzen Text Johnnesevangelium 12, 24-26 vom Sonntag davor, falls jemand das in dem Zusammenhang hören möchte, indem ich daran gearbeitet habe. Die Erntedankpredigt mit mehr plakativ und proklamativ – in der Woche vorher sind wir etwas mehr in die Tiefe gegangen… viel Freude beim Hören!

Strohfeuer oder nachhaltige Begeisterung?

Wenn dieses Thema für Sie interessant ist, z.B. weil Sie an Ihrer eigenen Begeisterungsfähigkeit arbeiten möchten – oder sie unterwegs verloren haben – oder weil Sie mit Menschen zu tun haben, auf deren Begeisterungsfähigkeit es ankommt: Hier ist eine Betrachtung auf der Basis von Johannesevangelium Kapitel 12, die hilfreich sein kann:

…mit hat die Beschäftigung mit diesen Thema von der Bibel her jedenfalls sehr viel gebracht! Viel Freude und Inspiration beim Hören!

Warum es Mist ist, dass England geht…

Wer sich ernsthaft mit dem Wort Gottes, der Bibel, beschäftigt, geht mit uralten Dokumenten um – und wird bei diesem Umgang auch dauernd mit den jahrhundertelangen Wirkungsgeschichten dieser Überlieferungen konfrontiert. Das hat Auswirkungen aufs Denken – mit diesem “Gepäck” im Nacken betrachtet man gegenwärtige Entwicklungen anders und auch die Schlüsse, die man zieht, werden davon gefärbt.

Als Pastor bin ich Betroffener. Gerne möchte ich diese Denke, die mir durch meine Tätigkeit sozusagen aufgedrängt wird, einmal testweise auf den Brexit anwenden. Falls also jemand Interesse daran hat, aus der Warte der “langen historischen Linien”auf den Brexit und seine daraus resultierende mögliche Bedeutung für uns zu schauen – hier ist eine Gelegenheit.

Zuerst: Die Geschichte Britanniens mit Europa ist eine Geschichte der Konflikte – im wesentlichen mit Frankreich, Deutschland und Spanien. Europäische Diktatoren von Napoleon bis Hitler haben zwar versucht, es aber niemals geschafft, einen Fuß auf britischen Boden zu setzen. Bei den Geisteshaltungen wird der unterschiedliche Ansatz noch deutlicher: Die britische und schottische Aufklärung (verbunden mit Namen wie Edmund Burke, David Hume, John Locke und Adam Smith) unterstrich Individualismus, Freiheit und Freizügigkeit im Sinne von eigenverantwortlicher Selbstbestimmung. Der Rest Europas wurde eher beeinflusst von den französischen Aufklärern im Sinne Jean-Jacques Rousseau. Der stand im Gegensatz zur britisch-schottischen Denkweise eher für eine von der Obrigkeit erzwungene Gleichheit der Bürger. Es ist kein Zufall, dass die amerikanische Revolution aufgebaut ist auf dem Gedanken individueller Freiheit und Freizügigkeit – und eben nicht auf den (später aufgetretenen) gewaltschwangeren Umverteilungsphantasieen und Volksfeindverfolgungen der französischen Revolution.

Was sind die Auswirkungen? Frankreich brachte Napoleon hervor, Italien Mussolini, Spanien Franco, Deutschland Hitler. Es ist schwierig, in der britischen Geschichte nach der Aufklärung eine vergleichbare Figur auszumachen, obwohl die Briten natürlich auch keine Heiligen waren. Aber selbst der brutale britische Imperialismus (Kolonialismus) war anders als der Belgische, Französische, Deutsche, Portugiesische und Spanische (die nicht weniger brutal waren): Man schaue sich nur einige der aus den ehemaligen britischen Kolonien entstandenen Demokratien an: USA, Australien, Kanada, Indien und Neuseeland. Obwohl es auch andere britische Ex-Kolonien gibt, bei denen die Rechtsstaatlichkeit nicht so gut funktioniert, ist das Verhältnis zwischen gescheiterten und gelungenen Staaten, die einmal Kolonien waren, bei den Briten ein substantiell anderes als bei Franzosen, Belgiern und anderen Festlandseuropäern.

Welche Auswirkungen wird also der Austritt Großbritanniens es für Europa haben? Entlang dieser Linien (s.o.) gedacht, wird der Staatsdirigismus und die Regulierungswut bei uns zunehmen. Die Arbeitsmarktgestaltung in Sinne des Sozialismus wird in einer anderen Dimension als bisher weitergeführt werden. Wir werden dadurch noch unflexibler, wenn es zu Krisen kommt. Eigenverantwortlichkeit des Bürgers, individuelle Freiheit und Freizügigkeit werden abnehmen und wir werden in vielfacher Hinsicht langsam aber sicher “französischer” werden. Der Einfluss dieser Denkrichtung wird auch deshalb zunehmen, weil wir Deutschen geistig eher orientierungslos dastehen. In diesem Zusammenhang werden neue Ideologien (Gender, Anti-Hate, Klima…) noch schneller zu Gesetzen – mit unabsehbaren Folgen. Dazu kommt: Europa ohne England ist chronisch unterbewaffnet und fremdelt darüberhinaus mit USA. Deshalb werden wir von der nunmehr einzigen verbleibenden Atommacht in der EU, das ist Frankreich, in viel zu starker Hinsicht abhängig, was die o.g. Effekte zusätzlich verstärken wird.

Aus diesen Gründen finde ich es wirklich MIST, dass uns die Briten verlassen – kann sie aber – uns den gleichen Gründen – verstehen.

Schöne Woche allen Lesern!

Euer Bernd