Kind mit dem falschen Geschlecht?

Erstmals ist ein Kinderfilm (FSK 0, also ohne Altersbeschränkung) auf Deutsch zu sehen, in dem ein Kind gezeigt wird, das sein biologisches Geschlecht ablehnt und sich entscheiden hat, ein Mädchen zu sein. Es ist auf Netflix zu finden: “Der Baybsitter-Club” Staffel 1, Folge 4.

Bailey wird gespielt von einem 9-jährigen biologischen Jungen, Kai Shappley, der tatsächlich für sich an Anspruch nimmt, Mädchen zu sein – also einem “echten” Transgender-Kind. Bailey wird vom Babysitter selbstverständlich als Mädchen behandelt, sie spielen Prinzessinnen (in Rosa), während die alten Jungs-Klamotten noch im Schrank hängen.

Eines Tages geht es Bailey nicht gut, es tritt Fieber auf, die Babysitterin kann kein Elternteil erreichen, und wählt den Notruf. Im Krankenhaus wird Bailey von Krankenschwester und Arzt mehrmals “misgendered”, d.h. nach Aktenlage als “junger Mann” angesprochen. Die Babysitterin, ein etwas schüchternes Mädchen, greift sich heldenhaft ein Herz und bittet Schwester und Arzt zu einem Gespräch, in dem sie ihnen “misgendering” vorwirft. Arzt und Schwester zeigen sich betroffen, versprechen sich bei Bailey zu entschuldigen und geloben Besserung. Natürlich muss Bailey auch keinen blauen Krankenhauskittel anziehen… (ich wusste gar nicht, dass es in amerikanischen Krankenhäusern auch rosa Patientenkittel gibt :-). Die Babysitterin wird von ihrem Vater und allen anderen beteiligten Erwachsenen für ihren Heldenmut gelobt.

Soweit die Episode.

Hier einige kritische Anmerkungen dazu: In der gesamten Serie werden auf sehr ernsthafte Weise Probleme von Kindern bzw. Jugendlichen im vorpubertären Alter thematisiert: Selbstwert, Erziehungsthemen, Trennung von Eltern durch Scheidung, Lebensrealität von Halbwaisen, Peer-Stress usw. Die Serie will in dieser Hinsicht für Kinder relevant sein und beleuchtet jedes der angerissenen Themen ausführlich und aus den unterschiedlichsten Blickwinkeln. Nicht so beim Transgender-Thema. Hier wird als Selbstverständlichkeit vorausgesetzt, dass es Kinder geben soll, die mit dem falschen biologischen Geschlecht geboren wurden. Ebenso wird suggeriert, dass ein vorpubertäres Kind dies für sich selbst richtig erkennen und einschätzen kann. Erwachsene, die dies nicht sofort nachvollziehen und akzeptieren, werden als verletzend, ja diskriminierend dargestellt. Was hätte denn der Arzt gesehen, wenn er nicht nur in die Akte geschaut hätte, sondern auf das Kind? Einen vorpubertären Teenager-Jungen mit langen Haaren. Der Gedanke, dass das materielle, real vorhandene biologische Geschlecht eines Menschen ziemlich wichtig ist, wird völlig ausgeblendet. Auch eine kritische Auseinandersetzung nach dem Motto “irren ist menschlich – was ist, wenn du kein Mädchen, sondern einfach ein Junge bist, der viele weibliche Anteile hat” fehlt völlig. Der Gedanke, dass Bailey, falls er/sie sich weiter auf diesen Weg begibt, eine unglaubliche Leidenszeit vor sich hat (Hormonbehandlungen, unzählige Operationen) dämmert niemand – schon gar nicht, dass diese Leidenszeit sich ins Extreme steigert, wenn sich im Verlauf des späteren Lebens herausstellen sollte, dass Bailey, neun Jahre alt, sich vielleicht doch geirrt hat – so etwas gibt es, siehe z.B. hier:

Leider nur auf Englisch – aber immerhin – sehr schönes British-English 🙂

Ein ergebnisoffener Umgang mit der Situation, in der das eine oder andere mögliche Szenario kritisch beleuchtet wird, scheint den Machern fremd. Stattdessen verkommt die Episode zu einer Reklamesendung für Transsexualität und spiegelt vorpubertären Jugendlichen, die auf der Suche sind nach ihrer geschlechtlichen Identität, Folgendes vor: Alles ist möglich – und die erwachsenen Frauen und Männer um dich herum dienen nicht etwa zur Orientierung – sondern haben dich in dem, was du heute für dich passend und richtig findest, zu respektieren und zu bestätigen.

Dieser Ansatz ist nicht ungefährlich und für mich ist es nicht verständlich, wie hier “FSK 0” verliehen werden konnte. Kinder unter 12 sollten diese Episode nicht ohne kritische Begleitung durch ihre Eltern, in der einige der o.g. Aspekte durchgesprochen werden, konsumieren.

Einen schönen Tag wünscht

Bernd Kollmann

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