Ist der Coronavirus eine Strafe Gottes?

Es gibt im Netz etliche Prediger und Bibellehrer, die Stellen aus dem Alten Testament heranziehen, um darzulegen, dass es sich bei der Seuche, die uns getroffen hat (Corona, Wuhan-Virus, COVID-19), um eine Strafe Gottes für die Sünde der Welt handelt. Beliebt sind Stellen wie Amos Kapitel 3 Vers 6: „Geschieht ein Unglück in einer Stadt, ohne dass der Herr es bewirkt hat?“

Meine Frau kam heute mit einem entsprechenden Video auf ihrem Smartphone daher und fragte mich um meine Meinung dazu.

Weil hier viel Unsicherheit herrscht habe mich mich entschlossen, ein wenig Klarheit und Licht in das Dunkel solcher Annahmen zu bringen: Ein guter Startpunkt ist, bei der frage zu beginnen, ob jede Bibelstelle gleichwertig zu betrachten ist, oder ob es „höherwertige“ Wahrheiten gibt, denen sich andere Stellen unterordnen müssen? Für mich liegt die Antwort in Hebräer Kapitel 1: „Nachdem Gott vor Zeiten vielfach und auf vielerlei Weise zu den Vätern geredet hatte durch die Propheten, hat er am Ende dieser Tage zu uns geredet durch den Sohn…ER ist der Abglanz seiner Herrlichkeit und Abbild seines Wesens.“

Diese Worte sind ein hervorragender Schlüssel zum Bibelverständnis: Gott hat auf unglaublich vielfache Weise geredet. Manches war recht schwer verständlich. Viele seiner Reden (fast das ganze Alte Testament) richteten sich an sein auserwähltes Volk Israel oder an Völker, die sehr eng damit verknüpft waren – jedoch nicht unmittelbar an die ganze Welt. So schickte Gott z.B. Unheil über die Ägypter, weil sie die Israeliten versklavt hatten – nach vorheriger Ankündigung durch einen ehemaligen ägyptischen Prinzen (also maximal klar verständlich), der sich objektiv als voll autorisierter Botschafter des Höchsten ausweisen konnte. Erst als darauf keine Reaktion erfolgte, kam die abgestufte Strafe, die ein glasklares, jedem bekanntes Ziel hatte: Der Auszug des Volkes Gottes. Solches Wirken Gottes heute auf uns zu beziehen ist theologisch ganz schön sportlich und erfordert einiges an Interpretationsverrenkungen. Es ist eben „vielfältiges Reden Gottes“, wie der Schreiber des Hebräerbriefs das nennt.

Doch so schwierig macht Gott es uns nicht, ihn richtig zu verstehen. Er sandte seinen Sohn, um uns zu zeigen, wie er wirklich ist! Das Gewicht dieser „Offenbarung des Wesens Gottes in menschlicher Gestalt“ soll von uns so entscheidend gesehen werden, dass es vier (!) ausführliche Berichte in der Bibel darüber gibt (vier Evangelien). Für mich reicht diese Tatsache zusammen mit den o.g. ersten drei Versen des Hebräerbriefs aus, das Wort Gottes tatsächlich so zu verstehen: Es gibt unterschiedliche Wahrheitsebenen. Nämlich ganz oben Jesus als die höchste Gottesoffenbarung – unübertroffen und maximal ausführlich. Darunter dann viel Wertvolles – das aber zum rechten Verständnis im Licht der Gottesoffenbarung durch Jesus Christus gesehen werden muss.

Das war die Theologie – jetzt die Anwendung: Ganz ehrlich, würde Ihnen beim Lesen der Evangelien die Idee kommen, dass Gott es ist, der Unglück, Seuchen und Krankheiten auf die Erde schickt? Das dies Teil seines Wesens ist, das er in Jesus offenbart? Diese Wahrheit wäre so wichtig, sie müsste in jedem der vier Evangelien leicht nachvollziehbar vorkommen. Ich kann das so aber nicht finden.

Deshalb sind Unheil und Seuchen, Krankheiten und Katastrophen so zu sehen: Wir leben auf einer Erde, die regelrecht schwanger ist vor Unheil. Krankheiten, Seuchen und Katastrophen gehören zu unserem Leben auf diesem Planeten. Es ist dermaßen gefährlich, hier zu leben, dass sogar Gott selbst mitten unter uns brutal zu Tode kam! Aber unser Unglück ist Gott nicht egal – es lässt ihn nicht kalt. Er ist zutiefst barmherzig, weint mit uns und entwickelt Pläne und Strategieen zur Abwendung von Not und Unheil. Sein Wort gibt uns eine Fülle von Ratschlägen zum Umgang gerade mit Seuchen und Infektionen: z.B. was man gut essen kann und von welcher Fleischsorte man besser die Finger lässt (Schleichkatzen und Fledermäuse gehen lt. Gott gar nicht, liebe Chinesen). Wenn die Seuche dann doch um sich greift, gibt es Quarantäne- und Desinfektionsregeln über ganze Kapitel der Bibel (das Buch Levitikus beschäftigt sich fast durchgängig damit, lesen Sie mal spaßhalber Levitikus Kap.13, Sie finden darin sogar die 14-tägige Quarantäne, die heute noch Standard ist). Über all das hinaus hat er ein offenes Ohr für unser Schreien in der Not. Er hört Gebet, einer seiner Ehrennamen ist „Hörer des Gebets“ (Psalm 65,3). Hier ein Clip der schönsten Vertonung dieses Psalms:

Nein, Corona ist keine Strafe Gottes! Seuchen dieser Art gehören zwar zu der Welt, in der wir leben – doch das war niemals von Gott so beabsichtigt. Denn sein Wille geschieht unter Milliarden von freien Persönlichkeiten auf unserem Planeten eben nicht automatisch oder „sowieso“, sondern dadurch, dass wir ihm vertrauen. Deshalb lehrt uns Jesus so beten: Vater unser im Himmel…dein Wille geschehe, wie im Himmel, so [endlich auch und hoffentlich bald] auf Erden!

Zum Schluss nochmal zurück zu Amos. Direkt im Anschluss an den Vers 6 sagt der Prophet: „Gott, der Herr, tut nichts, ohne seinen Dienern, den Propheten, seinen Plan offenbart zu haben!“. Genauso war es beim Pharao – der Plan Gottes für die konkrete Situation lag auf dem Tisch – schon vor der ersten Plage! Niemand erlebte den Nil aus Blut und musste wild rätseln: Was ist das nun? Ein außergewöhnliches Naturphänomen? Eine Strafe Gottes? Es war von vornherein klar, dass Gottes Gericht über Ägypten lag, weil der stolze Pharao den “Augapfel Gottes” (Israel) mit Füßen getreten hatte.

Daraus ergibt sich: Wer nun der oben ausgeführten Theologie (Jesus als ultimative Gottesoffenbarung, der sich alles andere Reden Gottes unterordnet) nicht folgen mag, und auf der Basis des Amos-Wortes den Coronavirus immernoch als Strafe Gottes ansieht, steht vor einer Herausforderung. Es müssten nämlich eindeutige prophetische Worte benannt werden, die VOR dem Ausbruch der Seuche verbreitet wurden – so deutlich, wie wir das aus dem Alten Testament kennen. Verbunden mit einer klaren Autorisation von Gott, also mit einhergehenden Zeichen, die aufhorchen lassen und mit einem glaubensvollen Ausblick, falls die geforderte Umkehr erfolgt.

Unter diesen Voraussetzungen wäre ich bereit, meine Position nachmal zu überdenken – bis dahin bleibt es dabei: Jesus ist die endgültige Gottesoffenbarung – und er ist das Heil der Welt – nicht ihr Unglück!

Liebe Grüsse

Bernd Kollmann, Pastor.

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