Gedanken zu “Hinterland”

Dieser wilde Beitrag ist inspiriert von Lord Jonathan Sacks, britischer Oberrabbiner, aus seinem kürzlichen BBC-Interview. Es sind etwas extreme Denkanstösse, und als solche sollen sie verstanden werden. Natürlich hoffe ich, dass Sie dem einen oder anderen dienen!

Bei jeder Auslieferung kommt in den deutschen Medien die gleiche Frage: Warum brauchen die Israelis deutsche U-Boote? Muss das sein? Tut das Not? Die Juden brauchen sie dringend, und der Grund dafür ist so einfach wie brutal: Atomare Abschreckung funktioniert – aber nur mit Hinterland. Der Gegner muss wissen, dass auf seinen Erstschlag auf jeden Fall ein Gegenschlag erfolgen wird. Das hält ihn letztlich davon ab, auf den roten Knopf zu drücken. Dieser Gegenschlag ist nur aus dem Hinterland möglich. Amerika und Russland haben jede Menge davon – Israel hingegen ist kaum grösser als Hessen und besitzt kein Hinterland. Die Antwort auf das Problem: Der israelische Hinterland-Ersatz ist das Mittelmeer und der Gegenschlag erfolgt von U-Booten aus, die dort unterwegs sind – made in Germany. Wie gesagt: Die Wahrheit ist so einfach wie brutal.

Gerne möchte ich Sie herausfordern, den Hinterland-Gedanken auf Ihr eigenes Leben anzuwenden – wir machen also einen Sprung von der Abschreckungstheorie des kalten Kriegs zum Mikrokosmos unseres eigenen Lebens: Wie oft führen wir persönliche Kämpfe, Familienzwistigkeiten, Konflikte im Betrieb oder auch Gemeindedispute so, als ob sich an dieser Frage, um die es geht, alles entscheidet! Wie oft verkanten wir uns in einer Sache so, als ob es nichts anderes gäbe?

Hier kommt der Tipp des Tages: Tief durchatmen und den Blick einmal entspannt über das persönliche Hinterland schweifen lassen. Was gehört außer dem einen Konflikt oder der einen Notlage noch alles zu meinem Leben? Was gibt es an Beziehungen und Werten, an Möglichkeiten und Betätigungsfeldern außer dem Punkt, der jetzt gerade so viel Kopfzerbrechen bereitet?

Ein schönes Beispiel für diese Denkweise ist Abraham Lincoln: Auf dem Höhepunkt des amerikanischen Bürgerkriegs hat dieser große Staatsmann den “Thanksgiving-Feiertag” eingeführt. Für alle! Um Freund und Feind daran zu erinnern, dass es Wichtigeres und Grösseres gibt als die gegenwärtigen Zustände, in die man sich verbissen hatte. Was für ein weiser Blick vom Konflikt in die Weite des großen Ganzen menschlichen Lebens.

Für Christen ist ja immer “Jesus” die Lösung. Ich möchte gerne ermutigen, das gesamte, große Bild Ihres Lebens aus ein Geschenk aus seiner Hand zu sehen und anzunehmen. Als gesegnetes Hinterland. Aus was besteht es in Ihrem Fall? Vielleicht aus tragfähigen Freundschaften? Einer funktionierende Ehe? Vielleicht gehört ein behagliches Heim dazu? Geordnete Verhältnisse? Was macht Ihr Leben aus, wenn Sie vom jetzt dominierenden Konflikt wegschauen und das große Ganze in den Blick nehmen? Lassen Sie ihre Augen über ihr persönliches Hinterland schweifen, fragen Sie sich, wofür es sich zu Leben lohnt. Geben Sie dann dem, das sich laut brüllend in den Vordergrund schieben möchte, ganz bewusst seinen angemessenen Platz im großen, ganzen Bild Ihres Lebens (d.h. immer: zurückstutzen 🙂 ). Wenn es für Sie dran ist – in welchem Kontext das auch sein mag – zum Gegenschlag auszuholen, dann kämpfen sie nicht mir den Rücken zur Wand mit der Kraft letzter Verzweiflung und auf den Trümmern zerstörter Träume, sondern führen Sie einen angemessenen, bedächtigen Gegenschlag von ihrem Hinterland aus.

Diese Analogie ist etwas brachial – dies gebe ich gerne zu. Aber hin und wieder ist es gut, vom Extremen her zu denken, weil dabei oftmals einiges aus dem Nebel in die Klarheit gerückt wird…

Der grösste und wichtigste Aspekt meines persönlichen Hinterlandes findet seinen Ausdruck im kommenden Feiertag: Christi Himmelfahrt. Wir feiern die Tatsache, dass es eine völlig andere Dimension gibt, den Himmel, das Reich Gottes. Dort sitzt seit 2000 Jahren der Gott, der mich und jeden anderen im wahrsten Wortsinn “abgöttisch” liebt und wertschätzt – und er sitzt dort als Mensch! Er ist vorausgegangen, um uns zu ermöglichen, unser Leben jetzt schon im Einklang mit diesem herrlichen Königreich zu leben – und um es eines Tages ganz in Besitz zu nehmen. Das ist mal ein geniales Hinterland. Ich möchte es keinesfalls missen. Von diesem Hinterland her möchte ich denken, leben und alle hiesigen Kleinkriege, wenn sie sich schon nicht nicht vermeiden lassen, führen.

Einen schönen Herrentag allen Lesern!

Euer Bernd Kollmann

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