Auf Kollisionskurs mit der Realität

Die Hybris des Menschen, also seine maßlose Überheblichkeit, zeigt sich immer wieder – letzte Woche ja wieder eindrucksvoll statistisch dokumentiert an den aktuellen Fakten zur Privatinsolvenz. Der Mensch glaubt, gegen die Wirklichkeit ankonsumieren zu können und erlebt den Schiffbruch der eigenen Ökonomie. Hier eine sehr eindrückliche Schilderung des Phänomens der Landeszeitung:

https://www.shz.de/deutschland-welt/wirtschaft/privatinsolvenzen-in-sh-im-land-der-pleitiers-id12911296.html

Nun kann man sagen, das betrifft mich glücklicherweise nicht – ich habe ja meine Finanzen im Griff. Es gibt jedoch einen Punkt, an dem wir offensichtlich einer “gesamtgesellschaftlichen Hybris” verfallen sind. Einen Punkt, an dem wir gegen die Realität anrennen, als könnten wir sie besiegen, indem wir sie einfach als “nicht relevant” betrachten.

Das Thema unserer Realitätsverweigerung ist die Energie. Und die Wand, gegen die wir fahren, weil sie direkt vor uns steht, sieht so aus: Unsere Zukunft hängt an digitalem Datenverkehr in Echtzeit. Überall stehen riesige Datenzentren, die zwar äußerlich nicht auffallen, aber übers ganze Land verteilt immens viel Strom verbrauchen und total darauf angewiesen sind, dass dieser Strom kontinuierlich fließt. Tag und Nacht, 24/7. Ein beliebiges Datenzentrum verbraucht pro Quadratmeter das 10-fache an Strom wie in voll ausgestatteter Wolkenkratzer, beheizt und klimatisiert. Da unser Wohlstand zunehmend abhängig ist von Datentransfer in Echtzeit, sind wir auch zunehmend abhängig von gleichmäßig verfügbarem Strom in zunehmender Menge.

Das ist die Realtätswand, die sich vor uns erhebt. Und wir haben uns dafür entschieden, mit regenerativen Energieen Vollgas zu geben. Leider genau in Fahrtrichtung auf diese Wand zu – denn: regenerative Energieen stehen genau für das Gegenteil dessen, was wir zunehmend benötigen. Sie liefern weder regelmässig – noch können sie beliebig mehr Strom erzeugen.

Bevor jetzt jemand die Augen nach oben dreht, und mich für einen Öko-Verweigerer hält: Wir haben als Familie massiv in Erneuerbare investiert! Dazu gehört eine 14-qm thermische Solaranlage und zusätzlich eine 7-kWp Photovoltaik-Anlage auf unserem Dach. Wir genießen die Wärme der Sonne zum Duschen und für die Waschmaschine – jeden Tag. Darüberhinaus beheizen wir unser Haus zu 100% aus nachwachsenden Rohstoffen. Vor diesem Hintergrund ist es nichtmal übertrieben zu sagen, dass wir mit diesem Ansatz als echte Vorreiter des Klimawandels gelten können!

Aber gerade als Mensch, der fest verwurzelt ist in täglicher Öko-Praxis, stelle ich nüchtern fest: Die Energiewende in Deutschland hat starke realitätsverweigernde Züge!

Etwas neidvoll blicke ich auf Finnland, das gerade die EU-Ratspräsidentschaft inne hat und dessen Premier unverholen zugibt, dass Finnland zur Co2-Einsparung voll auf Kernkraft setzt. Energie ohne Schwankungen in beliebiger Menge bei ausreichender Beherrschbarkeit der Risiken – das sage nicht ich, das sagt unser derzeitiger EU-Ratsvorsitzende Anti Rinne.

Genauso wird das übrigens im Heimatland von Greta praktiziert – Schweden setzt zur Co2-freundlichen Energiegewinnung ebenfalls auf Kernkraft – und ich hab bislang noch nicht gehört, dass das Thunberg-Mädchen jemals etwas dagegen einzuwenden hatte – oder diesbezüglich zu entsprechenden Demos aufgerufen hätte.

Diese Ansätze unserer nördlichen Nachbarn sind realistisch – die beiden genannten Länder befinden sich nicht auf Kollisionskurs mit der Wirklichkeit. Bei uns zeigt sich das Problem zur Zeit in den höchsten Strompreisen der Welt. Wir können das noch wegstecken, weil wir so reich sind.

Ich würde mir eine Politik bei uns wünschen, die aufhört, sich der Wirklichkeit zu verweigern, und die einen Ansatz wählt wie: Ja, wir wollen mehr Öko – ja, wir wollen eine digitale Wirtschaft und ja, dazu brauchen wir eine kostengünstige, immer verfügbare Grundversorgung, die uns jede Dunkelflaute zuverlässig und mit im Inland produziertem Strom überbrückt. Wer das Co2-neutral verwirklichen will, kommt halt an der Kernkraft leider nicht vorbei. Und vor diesem Hintergrund bin ich für deutsche Sicherheitsstandarts – und möchte nicht von belgischen oder französischen Schrottmeilern an unseren Grenzen abhängig sein, wenn es drauf ankommt! Denn das ist am Ende die Konsequenz: Vor dem Zusammenbruch der Versorgung kommt der Aufkauf von Strom aus dem Ausland.

Als Pastor habe ich unglücklicherweise viel Erfahrung mit Menschen, die sich mit der Realität schwertun: In Ehen, um Umgang mit Herausforderungen des Alltags, im “vorüberziehenlassen ungenutzter Chancen”. Mein Job ist es, in Gottes Namen immer wieder die Wirklichkeit vor Augen zu führen – die des Lebens und die des Evangeliums. Ich habe noch keinen erlebt, der das mitgemacht hat, und dem es damit nicht besser ergangen wäre.

Wie cool wäre es, wenn wir uns auch als Gesellschaft in der einen oder anderen Hinsicht der Wirklichkeit stellen würden!

Schönen Tag noch.

Dein Bernd.

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