Lieber Leo Bigger,

ich mag Dich. Ich liebe Dein visionäres Vorgehen beim Gemeindeaufbau. Letztens war ich sogar in Hamburg, um einen meiner raren Sonntagvormittage, über die ich als Gemeindepastor frei verfügen kann, in einer ICF-Kirche zu verbringen. Es war ein inspirierender Vormittag!

Du bist für mich ein ermutigender, herausfordernder Prediger. Und ein Glaubensvorbild. Du lehrst einen großen Gott, der geniale Wunder tut!

Aus diesen Gründen berührt es mich auch ganz besonders, dass Du eine Sache lehrst, die hochproblematisch ist, weil sie genau diesem großen, guten Gott und seinem Wort einfach nicht gerecht wird. Nämlich, dass es sowas gibt wie die „Zulassung Gottes“ – nach dem Motto: „Gott lässt furchtbare Dinge zu, als Warnschüsse, um uns auf den rechten Weg zurückzubringen“. Und der Corona-Virus ist nach Deinen Worten solch ein Warnschuss Gottes, mit dem er uns wie in einem Megaphon einige Fragen stellt. Im weiteren Verlauf deiner Predigt führst Du dann die ägyptischen Plagen aus – immer wieder mit dem Bezug zur Corona-Krise (in „Gott ist stärker als Deine Umstände” vom 30.03.).

Gibt es echt eine „Zulassung Gottes“? Dahinter steckt ja wohl die Idee, dass Gott ganz kleinteilig alles in seiner Hand hat und genau schaut, was vor sich geht, und wenn wir über die Stränge schlagen, lässt er halt Dinge zu, um uns zum Nachdenken anzuregen. Was lässt er denn alles zu? Schiffsuntergänge wie die Titanic, um die Gigantomie der Menschen in Frage zu stellen? Den Holocaust? Warum den?

Wenn Jesus die absolute Gottesoffenbarung ist (Hebräer 1,1-3) dann müsste man von dieser “Zulassung Gottes“ etwas in den Evangelien finden. Deine Beispiele von Noah, Sodom und Gomorra und den ägyptischen Plagen passen nicht so gut, denn das sind keine „Zulassungen Gottes“ sondern regelrechte Gerichte mit klaren, für jeden verständlichen Vorankündigungen. Wenn jemand 100 Jahre lang ein riesiges Schiff auf trockenem Land baut und den Leuten predigt, warum das geschieht (2.Petrus 2,5), ist das ein klares Mahnmal, an dem niemand vorüber gehen konnte, ohne sich zu positionieren. Allein die Tatsache, dass dieses riesige Bauwerk überhaupt fertig wurde, ist schon eine unmissverständliche Botschaft für das herannahende Gericht Gottes.

Woher also kommt der Gedanke einer göttlichen „Zulassung“? Es soll in dieser Idee ja wohl mit drin stecken, dass Gott nicht der Verursacher des Bösen ist, was schlecht zu Jakobus 1,17 passen würde, sondern nur etwas „zulässt“, das wir dann aber dennoch als sein Sprachrohr verstehen sollen.

Ich kann mir vorstellen, dass die Idee der „Zulassung Gottes“ im Wesentlichen aus der missverständlichen Übersetzung eines Jesus-Wortes in Matthäus 10 kommt: „Ihr wisst doch, dass zwei Spatzen für ein paar Cent verkauft werden. Doch nicht einer von ihnen fällt auf die Erde, ohne dass euer Vater es zulässt.“ (z.B. Neue evangelische Übersetzung). Im griechischen Original steht aber nur „…ohne euren Vater“. Das ist von keiner „Zulassung“ die Rede. „Zulässt“ ist reine Interpretation. Man könnte mit genau dem gleichen Recht übersetzen “…ohne dass Euer Vater es sieht“, was einige Übersetzungen machen. Oder wie die Zürcher Übersetzung “…ohne dass Euer Vater bei ihm ist.“

Diese Sicht entspricht eher dem Gesamtzeugnis des Wortes und dem Zeugnis der Evangelien: Gott hat uns diese Welt anvertraut. Durch unsere Weigerung, ihm zu vertrauen, ist auf dieser seiner schönen Erde viel in Unordnung geraten. Durch die menschliche Perversion seiner genialen Absichten wurden ungute Kräfte freigesetzt, die jetzt auf dieser Erde ihr Unwesen treiben. Viele nicht zu Guten. Im Spiel dieser Kräfte agieren wir mit – ausgestattet mit einem freien Willen. So war das auch im chinesischen Wuhan: Wir bestimmen, welche Tiere wir essen und unter welchen Bedingungen. Sie sind uns anvertraut! Und wir tragen die Verantwortung für unser Handeln. Aber Gott ist bei uns. Wer leidet mit. Er war übrigens auch da in den Zimmern der spanischen Altenheime, als dort Bewohner sich selbst überlassen wurden und einsam einen qualvollen Tod starben. Und Gott leidet nicht nur mit und ist da, er verfolgt inmitten dieses irdischen Chaos seine guten Pläne. Seine Souveränität besteht darin, dass er jeden erdenklichen Umstand, wie auch immer dieser zustande gekommen ist, für die Menschen, die ihm vertrauen, zu etwas Gutem Wenden kann. Und genau das tut er. In seiner göttlichen Weisheit und seiner unglaublichen Fähigkeit, Gutes zusammenzuführen vermag er jede Katastrophe, egal wie sie entstanden ist, zu etwas Positiven zu wenden und so mitten in dieser Welt, auf der weitgehend sein Wille NICHT geschieht (sonst müssten wir nicht darum bitten) seine liebevollen Vorhaben des Heils für alle Menschen leidenschaftlich und mit größter Entschiedenheit zu verfolgen. Und wir sind sowas von eingeladen, bei ihm mitzumachen, und das Kommen seines Reiches mit ihm zusammen zu befördern!

Seine Kirche, und ganz vorne dabei das ICF, spielen dabei eine große Rolle! Ganz besonders dabei, Glauben zu wecken in einen zutiefst vertrauenswürdigen Gott. Und wenn dieser Glaube auch noch fest und sicher im Wort gegründet ist, dann wird er in schweren Zeiten wie diesen durchtragen.

Lieber Leo Bigger, bitte reflektiere nochmal deine Lehre von der „Zulassung Gottes“. Ist vielleicht noch etwas zu sehr von bestimmten calvinistischen Einflüssen geprägt. Es gibt aber bessere und tragfähigere Hilfen, mit denen man Menschen ermutigen und ja, auch ermahnen kann, mitten im Elend dieser Welt starken Glauben auch für schwierige Zeiten zu entwickeln.

Liebe Grüsse aus Schleswig-Holstein

Dein

Bernd Kollmann

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