Christ und Umfeld

Der Apostel Paulus schreibt im 6. Kapitel des Römerbriefs “…Christen gehen in der Wirklichkeit eines neues Lebens ihren Weg”. Die Lutherbibel übersetzt diesen im Original etwas sperrigen Halbsatz kürzer: “…Christen wandeln in einem neuen Leben.” (aus Rö. 6,4). Gemeint ist ein Lebensstil, der nicht mehr den Vorstellungen des Umfelds versucht gerecht zu werden. Und ein Lebensentwurf, in dem wir nicht mehr in erster Linie danach streben, etwas aus uns zu machen oder uns selbst zu erfinden. Positiv kann man den neuen Ansatz so umschrieben: Als Geschöpf Gottes bin ich durch Jesus Christus neu hineingesetzt worden in das, was Gott sich von Anfang an für mich erträumt hat. Das möchte ich nun immer mehr erkennen und zunehmend daran entlang leben. Dabei werde ich auf die eine oder andere Weise Jesus Christus ähnlicher – was total okay ist, denn es ist mein vornehmstes Privileg, bestimmte Aspekte seiner Persönlichkeit auszuleben oder wiederzuspiegeln. Dieser Jesus ist die schönste, spannendste und herrlichste aller Persönlichkeiten – also kann solch ein Leben nur genial sein. Dieses ganze Projekt ist mir zwar noch etwas fremd, aber zum Glück gibt mir Gott seinen Geist, der täglich dabei hilft, mich darin zurechtzufinden.     

Was hindert Christen, diese “Wirklichkeit des neuen Lebens” einfach auszuleben? Was hält sie davon ab, mitten in ihren Lebensumständen und ihrer Umgebung die Menschen zu sein oder zu werden, die ihr Schöpfer sich erträumt hat?

Hier kommt der Versuch einer Antwort – natürlich gefärbt von eigenen Erfahrungen und Erlebnissen mit anderen Christen: 

Wir sind viel zu beschäftigt damit, uns an unserer Umgebung abzuarbeiten. Das verstellt uns den Blick aufs Wesentliche und hält uns davon ab, zu den Menschen zu werden, zu denen wir geschaffen wurden. Dieses “Abarbeiten an unserer Umgebung” geschieht auf dreierlei Weise. So verwenden wir

  1. eine Menge Energie darauf, den Lebensstil von Menschen in unserer Umgebung zu verändern. Wir wollen, dass möglichst viele so denken und handeln wie wir das als richtig erkannt haben. Wir zeigen anderen, wie sie leben sollen und gehen ihnen als Besserwisser auf den Nerven. Aber wir sind überzeugt, “in der Wahrheit” zu sein und unserer Umwelt etwas Gutes zu tun. Das ist jedoch ein Trugschluss: In Wirklichkeit bieten wir durch dieses Verhalten nur einen billigen, kraftlosen und minderwertigen Ersatz für das Echte.
  2. Wir legen biblische, neutestamentliche Maßstäbe an Menschen, die mit Gott nichts zu tun haben. Alle Bücher des Neuen Testaments, die nach den Evangelien kommen, sind ausschließlich an Christen gerichtet – oder an Menschen, die sich selbst so sehen. Fakt ist: Sämtliche Warnungen aus diesem Teil des Neuen Testaments, die ja teilweise recht harsch sind, gehen an Menschen, die vorgeben mit Gott leben zu wollen, aber das Gegenteil tun. D.h. diese Worte sind gar nicht für unsere Umgebung bestimmt! Kein Christ ist berufen, seinen Mitmenschen damit auf die Nerven zu gehen – so wenig wie Paulus, der ja diese Worte zumeist geschrieben hat, dazu berufen war, seiner Umgebung damit auf die Pelle zu rücken! (Wer tiefer in diesen Gedanken einsteigen möchte, hier eine kleine Übung: An wen ist die Warnung von 1.Kor.6,9 gerichtet? Wer soll sie hören? Die richtige Antwort steht in 1.Kor.1,2!) 
  3. Manche Christen neigen dazu, sich an ihrer Umgebung abzuarbeiten, indem sie immer noch mehr wie ihre Umgebung sein möchten, um diese zu gewinnen. Sie überholen ihre Mitmenschen sozusagen rechts. Noch hipper, noch moderner… wir kann ich zum “Influencer” für den Herrn werden?     

Alle drei Versuche christlichen Abarbeitens an der weltlichen Umwelt sind letztlich geboren aus Angst. Wir Christen sind uns nämlich unsicher, was die “neue Wirklichkeit unseres Lebens” tatsächlich bedeutet und wie wir sie ausleben können. Wir ahnen jedoch, dass dieses Leben atemberaubende Freiheit bedeutet, extravagante Liebe, verschwenderische Großzügigkeit und abenteuerliche Hingabe. Doch die Wucht dieser Perspektive ist nicht nur unbehaglich – sie macht uns sogar Angst. Deshalb nehmen wir lieber ein bisschen von dem, das wir fromm erkannt haben (aber noch selbst kontrollieren können) und fangen an, damit am Lebensstil der Menschen in unserer Umgebung herumzufeilen. Aber das ist eigenmächtig, armselig und abstoßend! 

Echte Umkehr bedeutet: “…Christen gehen in der Wirklichkeit eines neues Lebens ihren Weg”. Wir leben aus, wozu der Schöpfer uns geschaffen, sein Sohn uns berufen und der Geist uns ermächtigt hat. Und wir vertrauen darauf, dass, was immer dabei herauskommt, göttliche Strahlkraft entwickelt. Dass wir so zum angenehmen Licht werden, das mehr und besseres an unserem Umfeld bewirkt als jede unserer “Handkurbeln der Angst” (siehe Punkt 1-3) das je könnte. Außerdem gehen wir dann unseren Freunden, Partnern, Kollegen und anderen Mitmenschen etwas weniger auf den Zeiger!

In diesem Sinne eine gute Woche wünscht

Euer Bernd.

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