Young Parents only

(Nur für junge Eltern 🙂 )

Ja, ich weiß, dieser Blog wird vor allem von reifen Persönlichkeiten gelesen. Doch dieser Beitrag ist jungen Eltern vorbehalten. Ältere Leser dürfen ihn gerne weiterleiten an junge Paare, die an Erziehungsfragen interessiert sind – und ganz besonders an solche, die sich etwas hilflos vor der Herausforderung sehen, ihren Kindern etwas Sinnvolles fürs Leben mitzugeben.

Ich schreibe diesen Beitrag – inklusive aller Tipps, die weiter unten aufgelistet werden, aus folgenden Grund: Seit diesem Sommer weiß ich, dass die Erziehung unserer Vier in einigen Bereichen gelungen ist. Nachweislich. Den Nachweis haben unsere Kinder selbst erbracht – indem Sie eine riesige Herausforderung, bei der Verlässlichkeit, Charakterstärke, Verantwortungsbewusstsein, Durchhaltevermögen und Teamgeist unabdingbar waren, erfolgreich gemeistert haben. Darüber möchte ich zuerst kurz berichten, um dann ein paar der wesentlichen Aspekte, auf die dieser Erfolg mit einiger Wahrscheinlichkeit zurückzuführen ist, zu teilen.

Die Herausforderung war, auf einen Resthof in den Alpen, auf über 1200m Seehöhe, am Ende einer kilometerlangen Schotterpiste, ein neues Dach zu setzen. Dazu mehr als 1000km anzureisen und dort auf engstem Raum so lange zusammenzuarbeiten, bis das Projekt erfolgreich abgeschlossen ist. In dieser Zeit körperlich alles zu geben und dazu die Nerven zu behalten, wenn es schwierig wird. Und es wurde maximal schwierig: Es war seit Jahren der regenreichste Sommer in dieser Gegend. Hier ein paar Eindrücke in Bildern:

Ankommen, Gerüst aufbauen, merken, das haut nicht hin, Nachbarn um lange Stangen bitten, die 7m-Stangen aus dem Wald holen, endlich ein sicheres Gerüst haben, und dann das alte Holzschindeldach abreißen…

…während des Abrisses eine der schlimmsten Regenperioden erleben, die diese Gegend kennt, Silofolie vom benachbarten Bergbauern organisieren und dann jede trockene Stunde nutzen…

…feststellen, dass der alte Dachstuhl viel zu alt, zu schwach und zu rott ist, aber nicht mehr umschwenken können auf einen Neuen – also ausbessern und aufbocken, was geht – und so eine einigermaßen gerade Dachfläche schaffen…

…die Sparrenköpfe erneuern und auf den begradigten Dachstuhl eine Vollschalung aus Rauhspund aufbringen. Die Dachrinne montieren…

…endlich die erste Lage Bitumenbahn aufbringen und feststellen, wie uns die Zeit davonläuft…

…immer wieder ermutigt werden durch phantastisches Essen, teils rusikal…

…teils sehr exklusiv…

…irgendwann die zweite Lage Bitumenbahn aufbringen und somit das Dach fertig stellen. Es ist übrigens ein “dänisches Leistendach”, die Architektenausführung eines Steildachs aus Dachpappe. Wahrscheinlich das Erste dieser Art in Kärnten.

All das geschah als freiwillige Eigenleistung. Alle gingen bis an die Grenze des Machbaren – und hinterher haben wir uns als Familie nicht schlechter, sondern sogar noch besser verstanden. Meine Frau und ich haben das Material fürs Projekt finanziert und nebenbei unzählige Fahrten zu Baustoffhändlern unternommen – bis hinunter nach Klagenfurt. Ansonsten begnügte ich mich mit der Rolle als Bauhelfer – untergeordnet unter die kompetenten Handwerker, die gestern noch unsere “Kleinen” waren, und habe Hilfsdienste verrichtet – eine neue Erfahrung.

Vier Kinder, die mitten im Leben stehen, zwei Akademiker, zwei Handwerker. Hier haben sie als Team ihre Reifeprüfung abgelegt. Was ist das Geheimnis dieses ‘Bruterfolgs’? Natürlich kann niemand mit Bestimmtheit sagen, warum unsere Kinder so gelungen sind. Es gibt aber ein paar Verdachtsmomente, die sehr wohl etwas damit zu tun haben könnten – diese möchte ich hier gerne mit euch teilen. Gerade jetzt, wo die Erfahrung noch frisch ist. Hier nun in eher zufälliger Folge die Faktoren, die ich im Sinne einer Empfehlung gerne weitergeben möchte:

  • Der sichere Rahmen einer stabilen Ehe. Der Bestsellerautor Jordan Petersen nennt die Ehe aus Mann und Frau mit eigenen Kindern nicht umsonst ‘Goldstandard’. Klar gibt es andere Konstellationen aus den unterschiedlichsten Gründen, die nicht immer frei wählbar sind. Wer jedoch die Möglichkeit hat, Kinder im sicheren Rahmen einer Ehe großzuziehen, sollte diesen ‘Goldstandart’ als solchen wertschätzen, schützen und ausbauen. Wir streiten uns auch mal vor unseren Kindern – und versöhnen uns wieder vor ihnen. So etwas als Kind zu erleben, schafft Sicherheit: Keine romantische ‘rosarote’ Sicherheit, sondern eine, die mit der Realität des Lebens zurechtkommt. Unsere Kinder wuchsen auf in dem Bewusstsein: Meine Eltern haben es hinbekommen – es ist möglich, eine stabile Ehe zu leben.
  • Regelmäßig, konkret und fröhlich beten. Egal wie christlich oder nicht so christlich ihr seid: vermittelt euren Kindern, dass es eine höhere Macht gibt, an die man vertrauensvoll appellieren kann. Das schafft ein gesundes Bewusstsein: Es hängt nicht alles an uns – es gibt eine höhere Instanz. Das Tischgebet plus ein Satz zur jeweiligen aktuellen Familiensituation oder -not ist ein schlichter, guter Anfang. Am Ende haben wir alle unser Leben nicht in der Hand, sondern sind auf die Gnade Gottes angewiesen.
  • Mute Deinen Kindern die Begegnung mit der rauhen Wirklichkeit zu, packe sie nicht in Watte. Nimm ihre Wehwehchen ernst – aber schätze klug ab, wieviel Aufmerksamkeit und Raum sie einnehmen sollen. Um diesen Punkt deutlich zu machen, werde ich jetzt etwas derbe, vielleicht hilft das ja jemand: Einer meiner Söhne musste aufs Polizeirevier, weil auf dem Telefon eines Schulkollegen, der mit Drogen dealte, die Kontaktdaten unseres Sohnes gefunden wurden. Mein Sohn sagte: “Niemals werde ich meinen Kollegen verraten! Das kann die Polizei vergessen!” Ich habe ihm geantwortet: “Wer nicht aussagt, kann mit Beugehaft belegt werden und ins Gefängnis kommen. Aber mach dir keine Sorgen: Ich werde Dich dann wöchentlich besuchen!” Mein Sohn sah mich schockiert mit weit aufgerissenen Augen an – ich musste seitdem nur noch einmal mit ihm zur Polizei: Als Fahrer zur Sportprüfung, weil er sich dort um einen Ausbildungsplatz beworben hatte. Es hat meinem Sohn gut getan, diese drastische Begegnung mit der (möglichen) Wirklichkeit zu erleben. Also: Gehe mit deinen Kinder nicht allzu zimperlich um!
  • Nicht soviel rumhängen lassen. Unsere Kinder liebten es zu “chillen” – aber wir haben diese ‘Chillzeit’ bewusst beschränkt: Einmal die Woche gab es Pfadfinder, auf Wunsch zusätzlich einmal die Woche Sport. Jeden Tag 30 Minuten Hilfe zuhause, vorzugsweise Brennholz werben im Winter und Gartenarbeit im Sommer. Der Schulabschluss wurde nicht als “Abschluss” einer wichtigen Lebensphase verkauft – sondern eher als “Startpunkt ins Leben”. D.h. nach dem Schulabschluss gab es kein ‘Orientierungsjahr’, neudeutsch ‘GAP YEAR’ oder sonst irgend so einen heute populären Parkplatz für Orientierungslose. Statt dessen wurden unsere Kinder ermutigt, rauszugehen ins Leben, um sich nützlich zu machen: Lehre, Studium – oder, falls die Orientierung noch fehlte, erstmal jobben.
  • Vorhandene Ressourcen nutzen – statt sich immer mit anderen zu Vergleichen. Achte darauf, der Neidkultur keinen Raum zu geben. Sie hat nichts in der Familie verloren. Neidisch auf die Möglichkeiten anderer zu sein, führt keinen Schritt weiter und blockiert nur. Ein Beispiel: Du kannst Deinem Kind den Herzenswunsch nach einem Pferd nicht erfüllen? Schau dich um nach einem Reitstall in der Nähe – wie vielen Pferdebesitzern fehlt die Zeit für ihr Tier! Es ist nicht so schwer, irgendeine Form der Kooperation zu finden und deinem Kind ein Pflegepferd zu ermöglichen. Das haben wir so gemacht, unser Pflegepony hieß “Flocki”, war schneeweiß und ziemlich frech.
  • Gib zügig Verantwortung aus der Hand. Gewähre Deinem Kind altersgemäß Taschengeld. Wenn es gut damit umgehen kann, lege auf das Taschengeld den Betrag drauf, den ihr für Klamotten veranschlagt habt – und lass das Kind die eigene Kleidung kaufen. Wir haben damit super Erfahrungen gemacht: Kinder achten völlig anders auf Preis und Qualität. Sie passen auf ihre Klamotten besser auf – und wenn sie rausgewachsen sind, machen sie mit ihren kleineren Geschwistern gute Geschäfte, falls das Stück noch was wert ist. Bei unserem Hüttendachprojekt hab ich mich bewusst zurückgenommen und den Jungen, der vor einigen Monaten seine Dachdeckerlehre beendet hat, zum Projektleiter und Baustellenchef gemacht. Es ist regelrecht aufgeblüht! Gib Verantwortung aus der Hand – das macht sehr viel mit Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen.
  • Gesunde Ernährung mit Augenmaß – vielleicht nicht der Wichtigste Punkt, aber ich möchte ihn dennoch erwähnen: Unsere Kinder hatten kaum Knochenbrüche, waren extrem wenig krank und haben sehr gut Muskelmasse entwickelt. Ich führe das auch auf die Ernährung zurück. Der Ansatz war Folgender: Immer schön abwechselnd einen Tag ‘Junk’ und den nächsten Tag ‘gesund’. Also ein Tag Pi-Pa-Po (Pizza, Pasta oder Pommes) und am nächsten Tag Gemüse, Salat oder/und Kartoffeln. Die Kinder vermissen nichts und nehmen trotzdem ausgewogene Ernährung zu sich. Das ist Wichtig, denn was nützt die wertigste Erziehung, wenn das Kind zu schwächlich oder zu kränklich ist, um das umzusetzen, was ihm beigebracht wurde?
  • Nicht auf halber Strecke aufgeben: Versprechen halten, Sachen durchziehen. Deine Kinder beobachten dich genau: Wenn du Dinge ankündigst, lass sie auch Wirklichkeit werden. Es steckt in uns allen: Wir wollen unsere Vorhaben zum Erfolg bringen. Wir möchten unsere Träume Wirklichkeit werden lassen. Wir wollen Siegen. Wecke in Deinem Kind das Selbstvertrauen, dass dies möglich ist – und gehe mit gutem Beispiel voran. Menschen, die ihre Zusagen einhalten gelten als stark – aber in den Augen ihrer Kinder sind sie Helden – und zwar solche Helden, die mit ihrem Vorleben neue Helden hervorbringen!

Das sind einige der Elemente, die für mich mitverantwortlich sind für ‘Bruterfolg’. Weil sie dazu beitragen, aus Kindern lebenstüchtige Menschen zu machen. Sicher gibt es noch andere Faktoren, wahrscheinlich hab ich nicht alles im Blick – aber die Genannten stehen ziemlich oben auf der Liste der Verdächtigen für das Gelingen von Erziehung. Und wenn Du dich jetzt fragst: Was ist mit der Liebe? Ist das Größte und Wichtigste nicht, Kindern bedingungslose Liebe zu zeigen? Für mich sind die oben genannten Faktoren praktizierte Liebe. Jeder Einzelne auf seine Weise – und ich hoffe, dich hat hat der Eine oder Andere inspiriert und ermutigt!

Lieben Gruß und schönen Restsommer

Bernd

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