Ein Land hat dann seine besten Zeiten, wenn jeder seine Aufgabe wahrnimmt – sowohl Kirche als auch Regierung: Auf Seiten der Regierung ist es gute Regierungsführung – die Kirche als Gegenpol dazu hat aufzustehen als prophetische Stimme ohne Alltagssachzwänge und ohne zu schreien “das ist Alternativlos”. Sozusagen klare, leidenschaftliche Wahrheit aus der unaufgeregten Warte Gottes hinein in unsere Situation. Seit einigen Jahrzehnten gibt es weder in Deutschland noch in Frankreich diese Stimme – beim Nachbarn wird sie so vermisst, dass einer der wichtigen Autoren, Emmanuel Todd, ein erklärter Atheist (!) diesen Zustand so beweint:
‘Nach dem Wegfall der christlichen Geistlichkeit als Gegner „gleitet“ das „zombie-katholische Frankreich […] übergangslos in die endlose Leere einer gottlosen, atheistischen Welt ab.’
In Deutschland hingegen kuscheln Kirche und Staat um die Wette, teilen sich kräftig sprudelnde Steuereinnahmen und die dazu gehörenden sozialen Aufgaben einvernehmlich – und die Kirche ist in Sachen Ökologie und Friedensbewegtheit so politisch, dass Gegensätze zu den regierenden Volksparteien nur bei äusserst genauem Hinsehen ausgemacht werden können. Fruchtbringende Spannung oder gar belebende Reibungshitze sind weit und breit Fehlanzeige!
Nicht so dieses Wochenende! Ein sehr interessanter Teil der Kirche hat sich wieder auf seine prophetische Aufgabe besonnen und sich weit vorgewagt auf neues Terrain: In Neumünster fand “Blue Flame” statt, eine christliche Konferenz, die ca. 2000 Besucher anzog. Am heutigen Sonntag kamen dort dänische Pastoren zu Wort, die stellvertretend für Ihr Volk um Vergebung baten für Unvergebenheit und Haß seit den drei Kriegen, die Deutschland aus dänsicher Sicht angezettelt hat (1864, 1. und 2. Weltkrieg). Diese Unvergebenheit äusserte sich nicht nur in bestimmten Haltungen Deutschen gegenüber, sondern zeigte sich – so führten Vertreter der dänischen Pastorenschaft aus – auch sehr handfest in der schlechten Behandlung deutscher Flüchtlinge in Dänemark nach dem letzen Krieg und besonders in der hohen Sterblichkeitsrate von deutschen Flüchtlingskindern in dänischer Obhut.
Die dänische Bitte um Vergebung war klar und von echter Demut geprägt, die deutschen Gastgeber nahmen sie ergriffen entgegen. Eine echte Antwort jedoch war nicht möglich, da keine der beiden Seiten das eigene Land ausreichend repräsentierte. Es war also zunächst ein prophetischer Akt von Menschen, die sich getrieben wussten vom Geist Gottes – und die ohne Rücksicht auf politische Korrektheit auf ein Gebiet vorstießen, das vor ihnen noch niemand betreten hatte. Vor dem Hintergrund des zukunftsweisenden Charakters des Geschehenen war es richtig, darauf zu verzichten, förmlich Vergebung zuzusprechen, den Sack zuzubinden und dann zu tun, als wäre alles erledigt.
Es wurde ein “geistlicher Stein” ins Rollen gebracht, und wir können gespannt sein, was nun aus dieser prophetischen Handlung erwächst: Wie viele Jahre werden vergehen, bis es nicht nur evangelische Freikirchler sind, die sich die Hand reichen – sondern Landesbischöfe über diesem Thema zueinander finden? Wann wird es dazu kommen, bis sich die Politik dieses Themas annimmt? Die Versöhnung mit Frankreich führte zur Gründung von “Arte”, die enge Verbundenheit mit Schweiz und Österreich leben wir mit 3Sat. Wann gibt es einen Sender wie z.B. “ScanD” 🙂 , der unsere Verbundenheit mit den Nordländern zeigt und lebt und vielleicht sogar feiert?
Heute wurde die Tür zu solchen Entwicklungen prophetisch entriegelt und einen Spalt aufgemacht – Kirche ist zu der Form aufgelaufen, die wir lange vermisst haben! Lassen wir nun tüchtig Licht durch diesen Spalt fallen, fegen wir die dunklen Ecken gründlich aus und schauen, wie es dann weitergehen kann!
In diesem Sinne: Danke an die mutigen Visionäre von BlueFlame, die deutscher Kirche endlich einmal dazu verholfen haben, die lange vermisste aber dringend benötigte prophetische Stimme zu erheben!