Ideologie Teil 2

Wegen der positiven Resonanz auf dem Blogbeitrag vom 2. September, gibt es hier eine Fortsetzung zum Thema Ideologie, Ideen und ihre Folgen.

Aufhänger ist diesmal ganz aktuell dieses Banner das in der einen oder anderen Form an einigen amerikanischen Universtäten hochgehalten wird, es titelt: “Queers for Palestine”, hier ein Beispiel (wenn du anklickst, kommst Du auf einen neue Seite, dann einfach oben links auf den ‘Pfeil zurück’ klicken, dann kommst Du wieder hierher):

https://x.com/SlowToWrite/status/1712284637639090461?s=20

Wie kann das sein? Queere Menschen, die sich zur LGBTQ+-Gemeinschaft zählen, wollen doch fortschrittlich sein, tolerant, für Gleichberechtigung und gegen Ausgrenzung eintreten? Am 7. Oktober zeigte die Hamas ihr wahres Gesicht, friedliche, feiernde Menschen wurden terrorisiert, bestialisch ermordet, vergewaltigt und entführt. Männer, Frauen, Kinder, sogar Babys wurden regelrecht abgeschlachtet. Nicht einmal eine Woche später demonstrieren westliche Menschen für diejenigen, aus deren Reihen dieses Blutbad kam.

Natürlich sind nicht alle Palästinenser brutale Mörder, viele sind selbst Opfer der Hamas – aber die palästinensische Gesellschaft ist das Meer, indem die Haifische der Hamas wachsen, gedeihen und sich vermehren können. Oder in einem anderen Bild: Die Hamas gehört zu Palästina wie die Ultras zu ihrem jeweiligen Fußballclub.

Wie kann es also sein, dass tolerante, westlich geprägte Menschen angesichts solchen Terrors ihre Stimme in dieser Art erheben? Noch rätselhafter ist: Ich weiß von keinem einzigen arabischen oder muslimisch geprägten Land, in dem jemals ein CSD (Christopher Street Day = Feier-Demo für Queeres Leben) stattgefunden hätte. Der Grund liegt auf der Hand: Es wäre unmöglich! Einfach deshalb, weil der Islam und noch mehr der Islamismus mal mehr, mal weniger theokratisch ausgerichtet ist, frauenfeindlich, gewaltbereit, Anti-LGBTQ, und gegen feie Meinungsäußerung – im Grunde also gegen so ziemlich alles auf der progessiven Agenda.

Wie kann es also sein, dass die LGBTQ-Community, anstatt z.B. für Schwulen- und Lesbenrechte in Gaza zu demonstrieren, oder statt mal einen CSD in Dohar zu planen, sich bedingungslos ausgerechnet hinter die Palästinenser aus Gaza stellt?

Was so widersinnig erscheint, kann mit der “kritischen Theorie” gut erklärt werden – bitte jetzt nicht abschalten oder weiterklicken, das ist spannend und nicht so trocken, wie es klingt. Nur ganz kurz: Die ‘kritische Theorie’, die besonders im englischsprachigen Raum zunehmend Verbreitung findet (Critical Theory), kommt aus deutsch-österreichischen Denkschulen. Man kann eine gedankliche Linie ziehen von Hegel über Marx zu Freud und dann weiter in neuerer Zeit zu Max Horkheimer, Theodor W. Adorno und Herbert Macuse.

Aspekte dieser Idee sind (vereinfacht ausgedrückt): Praktisch alle vorgefundenen Verhältnisse oder Ordnungen der westlichen Gesellschaft sind unterdrückend und schädlich – und dazu so festgefügt, dass sie als ‘strukturell-totalitär’ betrachtet werden müssen. Deshalb ist grundlegende Kritik an allem, das uns als westliche Gesellschaft ausmacht, unbedingt nötig. Am Ende soll diese Kritik in ihren unterschiedlichsten Formen dann dazu führen, uns endlich zu mündigen, aufgeklärten, emanzipierten, gerechteren und freien Menschen zu machen.

Ein wesentlicher Aspekt dieser Denkschule der ‘kritischen Theorie’ ist die sehr klare Einteilung der Welt in Täter und Opfer. Das wurde bereits an der Wurzel, nämlich durch Karl Marx, so angelegt: Es gibt entweder Unterdrücker oder Unterdrückte. Existent sind nur diese beiden Klassen. Wichtig dabei: Die Einteilung der Menschheit in eine dieser Kategorien ist GRUNDLEGEND. Alles andere – wirklich alles – wie Werte, moralische Vorstellungen, ethische Verhaltensregeln, no-goes oder Tugenden, Rechte und Pflichten, jeder andere Maßstab von Verhalten, von Aktion oder Reaktion ist auf dieser einen Grundlage und von der Grundlage her zu bewerten. Jegliche Bewertung geschieht also auf der strikten Einteilung der Welt in Täter und Opfer, Unterdrücker und Unterdrückte.

Diese Denkweise – oder Ideologie – setzt nun folgende Dynamik frei: Alles, was zugunsten der angenommenen Opfer oder der ‘Unterdrückten’ getan wird, ist erstmal als nötig, gut und richtig anzusehen. Auch Massenmord und Vergewaltigungen sind sozusagen als ‘Notwehr’ der (angenommenen) Unterdrückten/Opfer einzustufen. Umgekehrt funktioniert diese Dynamik ebenso: Alles, was dem (angenommenen) Unterdrücker/Täter schadet, ist bitter nötig und deshalb richtig und muss irgendwie auch gut sein, weil es das Anliegen weiterbringt: Die Befreiung der Welt von Unterdrückung.

Mit anderen Worten: Die ‘Täter/Unterdrücker’ sind in den Augen der Anhänger der ‘kritischen Theorie’ dermaßen Böse, dass keine Art von Gegenwehr zu schlimm oder abgründig ist – vor dem monströsen Hintergrund des totalitären ‘Täters’ ist alles gerechtfertigt, um diesem Einhalt zu gebieten. Aus dieser Sicht gesprochen: Am 7. Oktober hat die Hamas Nötiges oder vermutlich unterm Strich sogar Gutes getan, weil dem Unterdrücker, also den Israelis, geschadet wurde. Nötig war das, weil es keine andere Möglichkeit gab, für die Freiheit Palästinas gegen seine Peiniger etwas zu erreichen.

Studenten – ganz besonders Amerikanische der Elitehochschulden wie Harvard, Stanford und Yale – aber auch viele europäische Studenten stehen der “kritischen Theorie” nahe. Ebenso die queere Szene – denn zu den “vorgefundenen strukturell totalitären Ordnungen und Strukturen”, die es nach der ‘kritischen Theorie’ aufzulösen gilt, gehört auch die binäre Einteilung der Menschen in Männer und Frauen. Damit geraten Heteros (und eine Gesellschaft, die hetero-basiertes Zusammenleben in Ehe und Familie hochhält) leicht auf die Täter/Unterdrückerseite und Schwule, Lesben Tansen und Queere auf die Seite Unterdrückten- bzw. Opfer. Und dort stehen auch – mindestens seit dem 6-Tage-Krieg – die Palästinenser. Man betrachtet sie als ‘mitunterdrückte’ Leidensgenossen im Geiste.

Auf der Basis dieser Gedanken oder Ideen geschieht es nun, dass Menschen, die in einem muslimischen Land (oder in den Palästinensergebieten) nicht den Hauch einer Chance hätten, ihren Lebensstil zu pflegen, für Palästinenser auf die Straße gehen, um für die abgründige Barbarei vom 7. Oktober als Mittel legitimer Notwehr zu demonstrieren.

Muss mir das Angst machen? Das kommt darauf an: Wenn Anhänger der ‘kritischen Theorie’ zu Regierungsverantwortung gelangen und du gerätst irgendwie ins falsche Lager, ja! Denn falls es so kommt und du wirst – aus irgendeinem Grund – als ‘Täter’ oder ‘Unterdrücker’ eingestuft, kann das schnell lebensgefährlich werden. Vergiss nicht: vom Moment dieser Einstufung an ist ALLES, das dich neutralisiert, gerechtfertigt. Tyrannei dir gegenüber wird zur Moral. Menschlichkeit, Recht und Gesetz interessieren nicht mehr – das wahre Monster bist immer Du, weil auf deiner Stirn ‘Täter’ und ‘Unterdrücker’ steht. Man kann es auch anders ausdrücken: Die kritische Theorie nimmt die Menschenwürde und reduziert Menschen auf eine Idee.

Und wir sind noch gar nicht ganz unten angekommen! Das Schlimmste kommt jetzt: Es ist geschichtlich betrachtet ziemlich willkürlich, wer so alles im Laufe der Zeit ins Visier der Anhänger der ‘kritischen Theorie’ gerät und als ‘Unterdrücker’ bzw. ‘Täter’ eingestuft wird, hier ein paar Beispiele: Lehrer und Bildungsbürger (Kambodscha und China unter Mao), Adelige und Christen (Russland, Oktoberrevolution), Kleinbauern (Ukraine, Holodomor), Einwanderer (USA), alte weiße Männer (Deutschland, heute 😉 usw. Mit anderen Worten: Es kann jeden treffen. Immer dabei und jetzt ganz aktuell sind es auch die Juden bzw. die Israelis*. Mit anderen Worten: Ich für mich möchte lieber von einer beliebig ausgewählten Person aus Seite 38 des örtlichen Telefonbuchs regiert werden, als von einem intellektuellen Anhänger der ‘kritischen Theorie’, weil dann meine Chancen zum Überleben etwas besser wären.

Also denkt dran: Ideen haben immer Konsequenzen, schlechte Ideen können töten – zumindest tragen sie gerade jetzt dazu bei, dass intelligente, vernünftige Menschen zu bestialischem Töten Beifall klatschen.

Euer nachdenklicher

Bernd

*_Der Vollständigkeit halber sollte hinzugefügt werden, dass in der Zeit zwischen dem Holocaust (bis 1945) und dem 6-Tage-Krieg (1967) Juden tatsächlich den ‘Opferstatus’ hatten. Israelis waren Anhängern der ‘kritischen Theorie’, die ja politisch links stehen, außerdem sympathisch durch das Kibbuz-System, das auf sozialistischem Gedankengut beruht. Doch als die ‘Unterdrückten’ es wagten, gegen die ‘Unterdrücker’ die Waffen zu erheben und auch noch siegreich zu sein, taugten sie als ‘Unterdrückte’ oder ‘Opfer’ nicht mehr. Dazu sind Kibbuze nur noch exotische Randerscheinungen mit wenig volkswirtschaftlicher Bedeutung. Israel lebt von freier Marktwirtschaft, von Innovation und Unternehmertum. Es musste also eine Neueinteilung her – und da es nur zwei Kategorien gibt, rutschten die Juden bzw. Israelis konsequenterweise auf die ‘Täterseite’ und werden seitdem als ‘Unterdrücker’ betrachtet.

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